Ein eigener Garten und viel Platz fernab vom Lärm der Großstadt – der Traum vom Einfamilienhaus ist seit der Corona-Pandemie bei vielen wieder sehr präsent. Allerdings können Einfamilienhäuser nicht nur ein teures, sondern auch klimaschädliches Konzept sein.
Seit einigen Monaten gilt in Hamburg-Nord: In neuen Bebauungsplänen werden keine Einfamilien- und Reihenhäuser mehr zugewiesen. Sie verbrauchten nicht nur zu viel Fläche, sondern seien zudem klimaschädlich, so der Fraktionschef Anton Hofreiter, der den Vorstoß der Grünen und der SPD von Hamburg-Nord unterstützt.
Auch der Klimaökonom Gernot Wagner ist der Überzeugung, dass das Leben in der Stadt deutlich klimaschonender ist als in Eigenheimen in Vorstädten oder auf dem Land.
Klimaschädliches Eigenheim
Einfamilienhäuser sind aus mehreren Gründen klimaschädlicher als eine Wohnung oder ein Mehrfamilienhaus in der Stadt. Zum einen ist der Aufwand, ein Haus für eine vierköpfige Familie zu bauen, pro Bewohner deutlich größer als ein Haus der gleichen Fläche zu bauen, in dem insgesamt 15 bis 20 Menschen wohnen können, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Benedikt Schulz.
Gleiches gilt für den Energieverbrauch, der pro Bewohner ebenfalls höher liegt. Beton, in der Regel das wichtigste Baumaterial, gilt zudem als echter Klimakiller.
"Wer ein Einparteienhaus bewohnt, hat einen höheren CO2-Fußabdruck."
Und auch die Fläche, die für eine vierköpfige Familie versiegelt wird und danach der Natur nicht mehr zur Verfügung steht, ist vergleichsweise groß. Gegenargumente wie beispielsweise, dass ein Haus, das auf einen Acker mit Monokultur gebaut wird, mit einem bunten Garten mehr ökologische Vielfalt bietet, stehen dagegen nur schwach dar, findet Benedikt Schulz.
Die Flucht in die Vororte
Dennoch wurde in der Corona-Pandemie der Wunsch nach einem eigenen Häuschen immer größer. Doch wo ist überhaupt noch Platz? In den Innenstädtenbereichen von Köln, München oder Hamburg ist das kaum noch möglich. Und auch in den Außenbezirken der großen Städte werden die Bauplätze immer rarer. Eine Folge davon ist, dass die Menschen sich in die Vorstädte zurückziehen. Da der Platz dort auch nur endlich ist, steigen die Preise nun enorm an.
Für den österreichischen Klimaökonomen Gernot Wagner sind diese Vorstädte genau das Problem: In den Vororten und Speckgürteln von Städten seien die CO2-Emissionen ungefähr doppelt so hoch pro Haushalt wie in der Stadt.
"Die CO2-Emissionen durchschnittlich im Vorort sind ungefähr doppelt so hoch pro Haushalt. Warum? Großes Haus, großes Auto, vielleicht noch zwei. Großer Reichtum. Wenig Dichte."
Er sieht dagegen das Leben in der Stadt als deutlich klimaschonender an, da man kein Auto brauche und weniger Quadratmeter für sich in Anspruch nehme. Er selbst lebt in New York. Einen eigenen Garten habe er nicht, dafür aber einen 3,5 Quadratkilometer großen Garten, den er sich mit acht Millionen Menschen teilt: den Central Park.
Der Bausparvertrag als ultimativer Zukunftsplan
Für ihn müsse ein Umdenken stattfinden. Vor allem wir in Deutschland seien seit unserer Kindheit darauf geeicht, dass wir irgendwann einmal ein eigenes Haus mit einem Garten besitzen müssten. Jahrzehnte lang hätten uns Werbungen vom Bausparvertrag vorgespielt, dass eine glückliche Familie nur glücklich sein könne, wenn die Kinder einen eigenen Garten zum Spielen hätten.
"Es geht um Jahrzehnte von Fernsehwerbungen, die uns eingetrichtert haben, dass die glückliche Familie nur glücklich sein kann, falls die Kinder auf dem eigenen Rasen spielen können."
Außerdem ist Gernot Wagner davon überzeugt, dass das Leben in der Stadt es erst möglich mache, Ausflüge aufs Land und in die Natur zu unternehmen. Das Leben in der Vorstadt gaukele nur vor, näher an der Natur zu sein und trage dafür aber zu einer Versiegelung des Bodens bei.
Kreative Konzepte für die Stadt
Es sind jedoch nicht nur die Vororte, die teurer werden, sondern auch die ganz normalen Wohnungen in Städten sind für die Mittelschicht kaum mehr bezahlbar. In Köln kostet der Quadratmeter 5.000 bis 8.000 Euro, in München kann er auch mal bis zu 10.000 Euro kosten. Ganz zu Schweigen von neugebauten Einfamilienhäusern, die unter einer Million Euro kaum zu finden sind.
Derzeit scheint es sich also dahin zu entwickeln, dass viele von uns bis an ihr Lebensende in einem Mietverhältnis bleiben werden, sagt Benedikt Schulz.
"Ich habe in Köln ein Neubauprojekt gesehen: sechs Einfamilienhäuser, schlappe 1,6 Millionen pro Haus. Wer soll das bezahlen?"
Michael Voigtländer, Immobilienexperte beim Institut Deutsche Wirtschaft in Köln, sagt: Das Zauberwort heißt Durchmischung. Es müsse wieder möglich sein, dass sich alle Schichten in der Stadt ein Zuhause leisten können. Da der freie Markt das offenbar nicht mehr regeln könne, ist für Michael Voigtländer nun die Politik am Zug, die das Problem kreativer angehen müsse.
Ein Konzept beispielsweise: Townhäuser. Das sind sehr schmale Reihenhäuser mit fünf Metern Breite, die dafür aber drei bis vierstöckig sind und dazu noch einen kleinen Garten haben. Eine andere Idee ist beispielsweise auf bereits bestehende Häuser noch weitere Stockwerke zu bauen. Die Frage für die Zukunft wird laut Michael Voigtländer also sein: "Wie können wir den Wunsch nach Einfamilienhäusern mit den ökologischen Herausforderungen und dem geringen verfügbaren Bauland übereinbringen?"