Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen – in den frühen 1990er Jahren erschütterte eine Welle rechtsextremer Gewalt die frisch wiedervereinigte BRD. Ein Vortrag des Historikers Janosch Steuwer darüber, wie diese Gewalt Deutschland bis heute prägt.
An die Brandanschläge in Hoyerswerder, Rostock Lichtenhagen, Mölln und Solingen erinnern wir uns bis heute. Doch sie bildeten nur die Spitze einer Welle von Gewalt gegen ausländisch gelesene Menschen in den frühen 1990er Jahren. Anlass für Gewaltausbrüche war die Diskussion um eine Änderung des Asylrechts, sagt Janosch Steuwer, Historiker an der Uni Köln.
"Bis heute bildet der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1991 den Tag mit den meisten rechten Gewalttaten in der Geschichte der Bundesrepublik."
Die Gewalt traf die Bundesrepublik in einem Moment kollektiver Selbstbefragung, erklärt der Historiker. Sie habe sich dadurch tief mit den durch die Wiedervereinigung bereits eröffneten Fragen danach verbunden, was das nun vereinigte Land den zukünftig ausmachen werde.
Es entstanden neuer Formen zivilgesellschaftlichen Protestes, nicht mehr nur linke und migrantische Gruppen protestierten gegen Rechtsextreme sondern auch die breite Bevölkerung, Kirchen, Gewerkschaften und Künstler, sagt Janosch Steuwer.
"Die Gewalt traf die frisch wiedervereinigte Bundesrepublik in einem Moment kollektiver Selbstbefragung."
In seinem Vortrag erklärt er, wie die CDU auf kommunaler Ebene, die Asylpolitik zum Thema machte, um Druck auf die SPD auszuüben, einer Grundgesetzänderung zuzustimmen. "Die Sozialdemokraten sollten dort unter Druck geraten, wo sich am ehesten Unmut und mangelnder Akzeptanz des praktizierten Asylrechts artikuliert."
Deutschland versteht sich als Einwanderungsgesellschaft
Die Zeit der Brandanschläge spielte eine wichtige Rolle für das Selbstverständnis der BRD als Einwanderungsgesellschaft, so Steuwer. Dafür sei ein Moment entscheidend gewesen: der Anschlag in Mölln. Hier habe die Gesellschaft realisiert, dass die Gewalt nicht nur Geflüchtete traf, sondern auch türkische Gastarbeiter.
"Wir sollten die aktuellen Umfragezahlen der AfD und auch die beeindruckenden Massenproteste gegen sie als ein gemeinsames Erbe der Zeit der Brandanschläge in den frühen 1990ern verstehen."
Janosch Steuwer ist Historiker an der Uni Köln. Seinen Vortrag; "Zeit der Brandanschläge. Die rechte Gewalt der frühen 1990er Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik" hat er am 1. Februar 2024 an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg im Rahmen der Reihe "Mehr als eine Randnotiz. Die extreme Rechte in der deutschen Gesellschaft nach 1945".
Bannerfoto: Am 18.01.1996 starben bei einem Brand in einer Lübecker Flüchtlingsunterkunft zehn Menschen, darunter vier Kinder. 50 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Auf dem Foto stehen Asylbewerber dichtgedrängt vor dem ausgebrannten Haus.