Die Geschichte vom Wolkenkuckucksland gibt vielen Kindern über mehrere Generationen Hoffnung – zum Beispiel Anna, die im fünfzehnten Jahrhundert lebt, und Konstance, die auf einem Raumschiff geboren wurde. So heißt auch das Buch von Anthony Doerr: Wolkenkuckucksland.
Um zu verstehen, was ein vierzehn Jahre altes Mädchen dazu veranlasst, voller Wut und Verzweiflung, aber mit Mut und Entschlossenheit ein Loch in die Außenwand einer Raumstation zu schlagen, muss man fünfhundertzwölf Seiten von Anthony Doerrs neuem Roman Wolkenkuckucksland lesen.
Beim Lesen passiert dasselbe wie bei vielen dicken, fantastischen Büchern: Jede weitere Seite lässt das unvermeidliche Ende näher rücken. Der Moment des Abschieds naht, der Abschied von den Figuren, die einen so lange begleitet haben.
Auf einem Raumschiff geboren
Konstance bewohnt gemeinsam mit ihren Eltern und fünfundsechzig weiteren Menschen ein interstellares Generationen-Schiff in Form einer Scheibe. Das Zentrum des Raumschiffs bildet Sibyl, eine Künstliche Intelligenz. Sie ist so etwas wie ein guter Geist, der Konstance zum Beispiel daran erinnert, etwas zu essen, bevor das Licht gedimmt und schließlich für die Nachtruhe ausgeschaltet wird.
Konstance wurde auf der Argos geboren. Ihr Vater gehört zu den wenigen Menschen an Bord, die die Erde noch erlebt haben. Er hatte sich freiwillig für den Missionsflug gemeldet, nachdem seine Heimat von mehreren Hitzewellen komplett ausgedörrt worden war. Er ist Gärtner auf der Argos.
Manchmal, wenn seine Tochter von Albträumen geplagt wird, setzt er sich mit ihr in sein Gewächshaus und erzählt ihr eine unglaubliche Geschichte von einem armen Schafhirten namens Aethon. Aethon träumt von einem Land, in dem nie Krieg ist, in dem niemand Hunger leidet, in dem alle Tiere gut behandelt werden und alle Pflanzen gedeihen. Um in dieses Land zu kommen, muss sich Aethon in einen Vogel verwandeln, denn das Land liegt in den Wolken. Es heißt: Wolkenkuckucksland.
Eine Zeit, in der alles wieder gut ist
So wie Konstance die Geschichte von Aethons Reise ins Wolkenkuckucksland immer wieder erzählt bekommen möchte, geht es auch Kindern, die lange vor ihr gelebt haben. Da ist zum Beispiel das arme Waisenkind Anna, das in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts in Konstantinopel zum ersten Mal davon erfährt.
In einem alten Wachturm stößt Anna auf ein Bild, das die Stadt in den Wolken zeigt. Es kann kein Zufall sein, dass ihr eines Tages ein altes Buch darüber, auf Griechisch, in die Hände fällt. Und nochmal fünfhundert Jahre später wird ein Übersetzer genau dieser Geschichte in einer Kleinstadtbibliothek in den USA mit fünf Grundschulkindern die Reise ins Wolkenkuckucksland als Theaterstück einstudieren.
Ohne den Mythos vom Wolkenkuckucksland würden sowohl die Kinder in der Bibliothek als auch das Waisenkind Anna in Konstantinopel und Konstance, die in einem Raumschiff gefangen ist, viel früher die Hoffnung aufgeben, dass eine Zeit kommen wird, in der fast alles wieder gut ist.
Das Buch:
Wolkenkuckucksland (Originaltitel: "Cloud Cuckoo Land") von Anthony Doerr | aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Werner Löcher-Lawrence | erschienen bei C. H. Beck | 530 Seiten | Hardcover: 25 Euro, E-Book: 18,99 Euro, Hörbuch: erscheint bald.