Dass der Wolf zurück ist in Deutschland, ist unbestritten - zur Zahl der hier lebenden Wölfe gibt es aber sehr unterschiedliche Angaben. Deutschlandfunk-Nova-Reporter Lars Westermann ordnet ein.
Der Wolf steht immer wieder in den Schlagzeilen. Oft geht es darum, wo er neuerdings aufgetaucht ist, oder um die Frage, wie gefährlich der Wolf eigentlich ist. Bei den Fragen kommt es aber darauf an, welcher Argumentation wir uns näher fühlen - der von Jägern, Naturschützern oder Bauern.
Unterschiedliche Angaben zur Zahl der Wölfe
Bei all den Debatten ist uns aufgefallen, dass mit sehr unterschiedlichen Zahlen argumentiert wird. Mal sind es über 1000 lebende Wölfe in Deutschland - mal sind es zwischen 150 und 400.
Wichtig zu wissen: Von wem kommen die jeweiligen Zahlenangaben zur Wolfspopulation in Deutschland? Wissenschaftler und das Bundesamt für Naturschutz haben Zählungen durchgeführt und kommen auf 150 erwachsene Wölfe. Der deutsche Jagdverband hingegen spricht von über 1000 Wölfen.
Gut möglich, dass diese Zahl bewusst genannt wird. Viele Naturschützer und die Wissenschaft gehen davon aus, dass sich eine Population ab 1000 Tieren selbst erhalten kann. Deutschlandfunk-Nova-Reporter und Wolf-Experte Lars Westermann glaubt daher, dass hinter den Zahlen gezielte Interessen liegen.
"Man kann auf jeden Fall sagen, dass der deutsche Jagdverband seit Jahren versucht, den Wolf aus dem Naturschutzrecht ins Jagdrecht zu bekommen."
Erst neuerdings kommt der Versuch, über die Zahl 1000 zu argumentieren. Früher hatte der deutsche Jagdverband eine andere Begründungsstrategie. Da hieß es, dass es sich gar nicht um reinrassige Wölfe, sondern um Mischlinge handeln würde, in denen ein großer Anteil Hund stecke, wodurch die Tiere in Deutschland nicht schützenswert seien und damit gejagt werden dürften.
Erfinden Jäger Populationszahlen um Wölfe zu jagen?
Wir wollen wissen, wie der deutsche Jagdverband (DJV) auf die Zahl 1000 kommt. Lars Westermann hat nachgefragt und die Antwort liefert wenig Klarheit. Zunächst einmal räumt der DJV ein, dass es derzeit in Deutschland nur 800 ausgewachsene Wölfe und Welpen gibt. Dass in Interviews und beim letzten Verbandstag immer von 1000 die Rede war, liege daran, dass man damit rechne, dass bis zum Ende des Jahres die Zahl erreicht sei. Wobei Lars Westermann sich die Frage stellt, wo die zusätzlichen 200 Tiere noch herkommen sollen, da keine Junge mehr geboren werden.
Auch wie der DJV die Zahlen erhebt, ist für Lars Westermann fragwürdig. Zitiert wird eine Hochrechnung in Zusammenarbeit mit Dresdener Forschern, deren Namen aber nicht genannt werden - auch auf explizite Nachfrage nicht. Daraufhin hat Lars Westermann alle Dresdener Wissenschaftler angefragt, die für so ein Gutachten in Frage kommen. Ergebnis: "Von denen will es keiner gewesen sein."
"Keiner der angefragten Wissenschaftler will das Gutachten zusammen mit dem deutschen Jagdverband gemacht haben."
Die Zahlen vom Bundesamt für Naturschutz lassen sich hingegen leicht nachvollziehen. Die resultieren aus Zählungen. Konkret lässt sich daraus ableiten: Im letzten Jahr wurden 60 Rudel, 13 Paare und drei territoriale, also Wölfe mit einem festen Revier, gezählt. Dazu kommen vermutlich noch einige Herumstreuner und Zuwanderer, die noch keine feste Bleibe oder einen Partner gefunden haben.
Auf dieser Grundlage geht das Bundesamt für Naturschutz für Deutschland von 150 erwachsenen Wölfen aus - zählt man die Welpen und Jungtiere dazu, kommen wissenschaftliche Analysen auf eine Zahl zwischen 300 und 400.
Ist ein Jagdrecht trotzdem sinnvoll?
Die Frage, ob Wölfe nicht vielleicht doch unter das Jagdrecht fallen sollten, stellte sich zuletzt verschärft, als es um "Kurti" ging, oder auch "MT6" genannt. Der Jungwolf aus Niedersachsen hatte nämlich keine Angst vor Menschen und kam ihnen sehr nahe. Ein für Wölfe eigentlich ungewöhnliches Verhalten. Er wurde dann erschossen.
Lars Westermann betont aber, dass es in der Neuzeit keinen Angriff eines Wolfes auf Menschen gegeben habe. Man müsse den Wolf und dessen Ausbreitung aber im Auge behalten. Außerdem sollte man wissen, wo der Wolf vorkommt und wann er problematisch wird. Das alles müsse aber unter staatlicher Aufsicht stattfinden.
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