Singapur soll ein Paradies für Wohnungssuchende sein: Niemand ist obdachlos, auch Arbeiter können sich gute Wohnungen leisten. Dlf-Korrespondent Holger Senzel lebt in Singapur – er kennt Vor- und Nachteile des Wohnungsmarktes.
ARD-Korrespondent Holger Senzel hat sich selbst mehrere Wohnungen über einen Makler angeschaut und konnte sich für eine entscheiden. Er zahlt aktuell rund 9.500 Dollar im Monat – also mehr als 6.000 Euro für eine Wohnung in der Stadt. Singapur gilt laut eines Rankings im Economist als teuerste Stadt der Welt.
Trotzdem haben etwa 90 Prozent der rund fünfeinhalb Millionen Menschen in Singapur eine Eigentumswohnung. Das geht vor allem auf einen Gedanken des Staatsgründers Lee Kuan Yew zurück, sagt Holger Stenzel. Lee Kuan Yew glaubte, dass Leute besser auf Wohnungen aufpassen, wenn sie ihnen gehören. Die Regierung des Stadt-Staates hat die Macht, so eine Idee auch durchzusetzen.
Auch Arbeiter sollen sich gute Wohnungen leisten können
In Singapur ist der Wohnungsbau staatlich finanziert – der Schwerpunkt liegt auf Eigentumswohnungen: Die zuständige Behörde, das Housing and Development Board, baut Wohnungen und vergibt sie per Mietkauf an Familien. Mitkauf bedeutet, dass Familien einen Eigenanteil zahlen, den sie zum Beispiel durch Einlagen bei der Rentenkasse finanzieren können. Durch die monatliche Miete bezahlen sie ihre Wohnung dann ab. So sind Eigentumswohnungen dann auch für Arbeiter erschwinglich.
"Wenn man sich das so anschaut: Das sind zwar Hochhäuser, aber keine Betonschluchten. Das sind zum Teil architektonisch sehr herausfordernde Konzepte."
Die Wohnanlagen funktionieren wie eigene Städte, mit Geschäften, Ärzten, Kindergärten, Schwimmbädern, Sport- und Grünanlagen. Das sind zwar Hochhäuser, aber trotzdem sehen diese Bauten aufwendig aus, sagt Holger Senzel.
Der Stadt-Staat Singapur regelt das Leben seiner Bürger
Dass der staatliche Wohnungsbau und die Verteilung gelingen, ist unter anderem möglich, weil der Staat auch die meisten Grundstücke besitzt. Entscheidend ist auch, dass die Regierung den Wohnungsbau stark kontrolliert – und dazu auch die Mittel hat: Holger Senzel nennt die Regierungsform in Singapur einen "staatlichen Kapitalismus". Auf der einen Seite ist Singapur eine Banken- und Geschäftsmetropole. Auf der anderen Seite gehören viele der Unternehmen aber dem Staat.
"Singapur ist da eine sehr widersprüchliche Konstruktion. Ich würde mal sagen: Das ist ein staatlicher Kapitalismus."
Was der Staat beschließt, wird also gemacht: So kommt es auch, dass Singapur eine grüne Stadt ist – denn der Staat hatte beschlossen, dass kein Einwohner länger als zehn Minuten bis zu einem Park laufen soll. Außerdem regelt der Staat, dass die Volksgruppen in den Vierteln durchmischt sind, also in einem Viertel nicht nur Chinesen oder Inder wohnen. In einem demokratischen System wäre so etwas schwer durchsetzbar.
Problem: Singapur ist keine echte Demokratie
Holger Senzel findet, dass der Wohnungsmarkt in Singapur grundsätzlich keine Nachteile hat – abgesehen von der Tatsache, dass Singapur keine echte Demokratie ist. Einschränkend kommt hinzu, dass die Wohnungspolitik zwar für alle Bürgerinnen und Bürger des Stadt-Staates Singapur gilt, nicht aber für Gastarbeiter aus Indien oder andere Zugezogene.
"Ich denke, das funktioniert nur mit einem starken Staat. Singapur ist ja ein Stadt-Staat, der sehr autoritär ist, also keine richtige Demokratie. Wenn die Regierung hier etwas beschließt, dann wird das auch so gemacht."
Aktuell scheint das System zu funktionieren – in einem demokratischen Staat wäre es allerdings so nicht möglich, sagt Holger Senzel. Denn Singapur sei ein sehr autoritärer Staat. Was die Regierung hier beschließe, werde auch durchgesetzt.
Für die Zukunft bestehen vereinzelt auch Ängste, dass es eine Finanzkrise geben könnte: Denn die Singapurer werden immer älter – und bekommen nicht viel Rente. Dadurch könnte es dazu kommen, dass Millionen Menschen gleichzeitig ihre Wohnung auf den Markt werfen, um sich ihr Alter zu finanzieren. Aber auch hier glaubt Holger Senzel, dass der Staat schnelle und strenge Lösungen finden wird.
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