Die Journalistin Annemieke Hendirks hat sich vor sieben Jahren gefragt, warum in Rumänen holländische Tomaten verkauft werden. Jetzt hat sie die Ergebnisse ihrer Recherche in dem Buch "Tomaten. Die wahre Identität unseres Frischgemüses" veröffentlicht.
Annemieke Hendriks stammt aus den Niederlanden, die neben Mexiko Exportweltmeister von frischen Tomaten sind. Das ist ein Ergebnis, das die Journalistin in ihrer siebenjährigen Recherche über die Tomate herausgefunden hat.
Angefangen hat alles damit, dass sich Annemieke auf einem Markt in Rumänien gefragt hat, warum dort aus den Niederlanden importierte Tomaten verkauft werden – in einem Land, in dem frische Freilandtomaten kein Problem sind. Doch die rumänischen Tomaten sahen neben den importierten frischen Tomaten aus den Niederlanden nicht so gut aus. Warum das alles so ist, das wollte Annemieke herausfinden.
Tomatenweltmeister Niederlande
Annemieke hat ihre Ergebnisse in dem Buch "Tomaten. Die wahre Identität unseres Frischgemüses" veröffentlicht. Dabei hat sie viele Absurditäten über die Tomate und ihren Anbau herausgefunden. Beispielsweise, dass die Niederlande mit Mexiko Exportweltmeister von Tomaten sind, obwohl das niederländische Klima gar nicht für den Tomatenanbau geeignet ist.
Tomaten aus Absurdistan
Exportweltmeister sind die Niederländer aber nicht deshalb, weil sie auch am meisten anbauen, denn im Vergleich produzieren sie nur 5 Prozent der europäischen Tomaten. Erstaunlich ist aber, dass sie Tomaten aus Spanien importieren, um sie später wieder nach Deutschland, Rumänien oder zurück nach Spanien zu exportieren. Tatsächlich geht die Hälfte des Exports von frischen Tomaten nach Deutschland.
Der Anbau von Tomaten in den Niederlanden findet allein in Gewächshäusern statt – und das ist auch in Deutschland nicht anders, sagt Annemieke. Aber nicht nur die Anbaumethode in Deutschland ist die Gleiche, selbst die Samen und Sämlinge stammen aus den Niederlanden. Außerdem wächst die Tomate auf Steinwolle oder Kokospackungen und nicht auf deutschem Boden. Bei Bio-Tomaten kommt der Boden eventuell sogar aus dem Ausland. "Was ist dann eine deutsche Tomate? Eigentlich sind nur noch die Sonne und die Schädlinge deutsch", sagt Annemieke.
"Bio-Tomaten im Freiland: Das geht gar nicht! Weil man chemisch gar nicht eingreifen darf, aber gerade im Freiland gibt es Schädlinge, Wetterschäden und Pilze."
Annemieke ist auch der Frage nachgegangen, wie sehr die Tomate mit Pestiziden belastet ist, und kommt zu dem Ergebnis, dass die Gewächshaustomaten nur wenig Belastung aufweisen. Die Tomaten in den Gewächshäusern sind geschützt, deshalb brauchen sie nur wenig Schädlingsbekämpfungsmittel, erklärt die Journalistin. Ganz anders in einem offenen Foliengewächshaus wie in Spanien: Dort haben die Schädlinge leichteren Zugang. In den vergangenen Jahren sei aber die Belastung mit Pestiziden bei den spanischen Tomaten erheblich zurückgegangen.
"Das ist kein Mythos, das ist Wirklichkeit: Tomatenanbau im Glasgewächshaus kostet viel Gas, fossile Brennstoffe, nur die wenigsten wachsen auf erneuerbaren Energien. Das ist eigentlich eine Umweltkatastrophe."
Der Ertrag bei Freilandtomaten ist weitaus geringer als bei Gewächshaustomaten, deshalb wachsen sie in den Niederlanden und in Deutschland in Glasgewächshäusern. Ein durchschnittlicher Anbau in den Niederlanden braucht so viel Energie wie 25.000 Haushalte, berichtet Annemieke. Das sei in Deutschland nicht anders. "Das ist schon ziemlich absurd, dass man die Tomaten bei uns in Nord- und West- und Mitteleuropa in so großen Mengen anbaut", empört sich die Journalistin.
"Die Deutschen meinen oft, dass der geringere Transport für die deutschen Tomaten ein Vorteil ist, aber der Transport ist weniger umweltbelastend in Bezug auf Energie und CO2-Austoß als der Anbau."
Alles Geschmackssache
Neben den bekannten "Wasserbomben" aus den Niederlanden gibt es aber auch viele leckere Tomatensorten, sagt Annemieke. "Die deutschen Tomaten sind oft viel teurer als die niederländischen, aber dafür gibt es eigentlich gar keinen qualitativen Grund, die sind nicht besser oder anders."
Empfehlen will die Journalistin keine Tomatensorte, denn ihr Geschmack sei so unzuverlässig und subjektiv, wie der aller Konsumenten. Und ob die Tomate besonders gesund ist, bezweifelt sie: "Natürlich ist es besser eine Tomate zu essen als Pommes oder Torte, denn sie schadet ja nicht." Die angebliche Heilkraft der Tomate wurde wissenschaftlich bislang nicht belegt.
"Ich esse schon noch Tomaten, zumeist frisch und nicht im Winter, denn die hiesigen Tomaten werden dann alle künstlich beleuchtet, das kostet noch mehr Energie."
Und die Wintertomaten aus Marokko verbrauchen viel zu viel des ohnehin knappen Wassers und sie werden unter nicht tragbaren Arbeitsbedingungen produziert, erklärt Annemieke. Deshalb: "Ich esse mit Maß Tomaten und speziell im Sommer, wenn sie massenhaft und billig sind und ganz viele Sorten angeboten werden."
Tomaten zählen zu dem beliebtesten Gemüse der Deutschen. Rund 25 Kilo isst jeder Deutsche im Jahr. Zusammen verspeisen die Deutschen zwei Millionen Tonnen.