China ist eine große Wirtschaftsmacht geworden, von der Deutschland und Europa in vielen Hinsichten abhängig sind. Wie sollten wir damit umgehen? Vorträge der Politikwissenschaftlerin Nadine Godehardt und des Wirtschaftswissenschaftlers Holger Görg.
Noch vor wenigen Jahren ging es beim Thema China vor allem um Fragen der Zusammenarbeit, um die Frage, wie Deutschland oder die Europäische Union Zugang zum chinesischen Markt bekommen könnten, um das Thema Benachteiligung deutscher Firmen oder auch die Subventionspolitik der chinesischen Regierung. Das hat sich völlig verändert, sagt die Politikwissenschaftlerin Nadine Godehardt.
"Man hat diese Abhängigkeit im Rohstoffbereich zu einer nationalen Sicherheitsfrage erhoben – und das nicht nur im deutschen Kontext, sondern auch im europäischen Kontext."
Spätestens seit der Pandemie und dem Krieg gegen die Ukraine steht ein Aspekt im Mittelpunkt aller wirtschaftlichen und politischen Überlegungen: die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von chinesischen Rohstoffen, seltenen Erden und funktionierenden Lieferketten. Unsere Abhängigkeit von China ist zu einer Frage der nationalen Sicherheit erhoben worden, sagt die Politikwissenschaftlerin.
"Es geht in erster Linie darum, Deutschland und Europa zu stärken, Importabhängigkeiten zu reduzieren, den Binnenmarkt zu stärken, Innovationsfähigkeit zu stärken."
In ihrem Vortrag zeichnet sie nach, wie sich unser Verhältnis zu China gewandelt hat, wie schwierig es ist, den Dialog mit China wiederzubeleben und wie der Umgang mit einem autoritären Regime wie China aussehen könnte. Dabei sei vor allem wichtig, so Nadine Godehardt, Deutschland und Europa als Standort zu stärken und Importabhängigkeiten zu reduzieren.
Braucht Deutschland eine China-Strategie?
Wie sollte Europa und wie sollte Deutschland langfristig mit China umgehen? Und: Sollten wir dazu eine "China-Strategie" entwickeln? Diese Fragen stellt der Ökonom Holger Görg im zweiten Vortrag dieser Hörsaal-Folge.
"Ist nicht eher die Frage, wie Deutschland, wie die EU mit autoritären Staaten umgeht, gerade was die Wirtschaftspolitik angeht?"
China würde immer mehr als Rivale gesehen, so der Wirtschaftswissenschaftler, sogar als potenzielle Gefahr. Dabei sei es aber wichtig mit zu bedenken, dass China bei Technologie und Wirtschaft auch ein wichtiger Partner sei.
Eine China-Strategie sollte Deutschland nicht im Alleingang entwickeln, so mahnt er, sondern eingebettet in eine EU-Strategie. Darin müsse es vor allem um langfristige Ziele gehen, um Leitlinien für privatwirtschaftliche Unternehmen und um die Frage, wie man generell mit autoritären Staaten umgeht.
Zu den Vorträgen:
Nadine Godehardt ist Politikwissenschaftlerin und ist Mitglied der Arbeitsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen China, Geopolitik und Politische Ordnungen. Ihren Vortrag "Geopolitik im Rohstoffmarkt: Wie balanciert Europa Chinas Zentralität?" hat sie am 11. Mai 2023 gehalten.
Holger Görg lehrt Außenwirtschaft an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel und ist Leiter des Forschungsbereichs 'Internationaler Handel und Investitionen' am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Seit 2016 leitet er das Kiel Centre for Globalization. Sein Vortrag "Braucht Deutschland eine China-Strategie?" stammt vom 16. Mai 2023.
Beide Vorträge waren Teil der Veranstaltungsreihe "Global China Conversations" die von der China Initiative des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IFW) in Kooperation mit dem Center for Modern East Asian Studies (CeMEAS) der Universität Göttingen, der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich und der Technischen Hochschule Wildau veranstaltet wird.