Wenn wir einen guten Eindruck machen wollen, achten wir auf unser Äußeres. Gut sitzende Frisur, passende Kleidung - und: saubere Schuhe. Da ist es umso erstaunlicher, dass der Schuhputzer in Deutschland schon lange aus der Öffentlichkeit verschwunden ist.
Die Handwerkskammer von Palermo, Sizilien, Italien sucht 15 Schuhputzer. Und die Bewerber rennen ihr die Bude ein. Sie wollen mitmachen bei der Wiederbelebung eines Berufsstandes.
Wir fragen uns: Was ist eigentlich aus den deutschen Schuhputzern geworden? Die gab es hier noch bis in die 1920er-Jahre.
Heute sind da eigentlich nur noch diese Bürstenautomaten in Hotellobbys oder den Foyers von großen Gebäuden. Aber wir haben noch einen gefunden, der selbst Hand an den Schuh legt: Jürgen Nitschmann. Er bietet Schuhputzen als Service für Messen und Events an - nebenberuflich. Weil er sonst nicht davon leben könnte.
Das Hauptproblem der Schuhputzer in unseren Breitengraden: "Wir haben das Gefühl, dekadent zu erscheinen, wenn wir uns auf einen Stuhl setzen und jeder sehen kann, dass wir uns die Schuhe putzen lassen", beklagt Jürgen Nitschmann. Und wir hätten Angst, dass dann der Eindruck entstehen könnte, wir seien zu faul, das selber zu übernehmen.
"Die Welt ist zu schnelllebig geworden - man müsste sie ein wenig entschleunigen. Falls so was noch möglich ist, heutzutage."
Und dann sind Deutschland und seine Nachbarn Belgien und die Niederlade auch noch Problemländer in Sachen Schuhe. Zwar hat Jürgen Nitschmann festgestellt, dass bei uns durchaus hochwertige Schuhe getragen werden. Das seien aber Einzelfälle. Die Normalbevölkerung laufe in Billigschuhen durch die Gegend. Schuhwerk, das sich sehr schlecht putzen lässt oder vollständig aus Synthetik besteht und eher weggeworfen wird, als dass der Träger in Schuhcreme investiert.
Gute Schuhe sind ein Ü40-Thema
Jürgen Nitschmann hat aber auch beobachtet: Es kommt auf die Altersgruppe an. Wer über 40 ist, lege mehr Wert auf Schuhe und auf Werte im Allgemeinen. Die Wohnung sei vernünftig eingerichtet und auf Langlebigkeit ausgerichtet, und das gelte dann oft auch fürs Schuhwerk.
"Geputzte Schuhe und ein gepflegtes Äußeres assoziieren dem Gegenüber, dass wir verlässlich in allen Lebenslagen sind."
Ein Schuhputzer muss natürlich wissen, was er tut. Eine gute Allgemeinbildung hilft aber auch, um sich mit den unterschiedlichen Kunden unterhalten zu können. Details zum Warum oder Wie des Schuhputzens interessiert die Kunden dagegen weniger, hat Jürgen Nitschmann beobachtet.
Und was entgeht uns, wenn wir nie auf dem Stuhl eines Schuhputzers Platz genommen haben? Eine Gratis-Fußmassage und ein Gefühl, das sich vielleicht am ehesten mit dem Besuch beim Friseur vergleichen lässt. Und dann sollten wir nie vergessen: Wenn wir jemanden zum ersten Mal begegnen, geht der erste Blick in die Augen, anschließend auf die Hände - und dann sind auch schon die Schuhe dran.