Woche für Woche geht es um Leben und Tod: Der polnische Jude und KZ-Insasse Harry Haft kämpft in einem provisorisch abgesteckten Boxring gegen ausgemergelte Mithäftlinge. Johlende SS-Männer sehen ihm dabei zu und töten den unterlegenen Gegner im Anschluss.
Einer der Aufseher wählt Harry Haft wegen seiner kräftigen und durchtrainierten Statur aus: Er soll gegen andere Häftlinge boxen – dabei geht es um Leben und Tod. Harry Haft erhält dafür mehr Lebensmittel und muss keine schwere körperliche Arbeit verrichten.
Harry Haft wurde Ende Juli 1928 in einem polnischen Dörfchen geboren und geriet unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen in die Hände der SS. Zwei Jahre später überstellten die Deutschen ihn nach Auschwitz, wo der sichere Tod auf ihn wartete.
"Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie ich diese Geschichte so erzählen kann, dass der Leser mitfiebert, weil die Hauptfigur ein extrem negativer Charakter ist."
Der SS-Aufseher, der Harry Haft zum Boxen einteilt, hat dabei auch eine Forderung. Er will, dass der Boxer eine positive Aussage über ihn macht, falls es irgendwann einmal zum Prozess wegen seiner Taten in Auschwitz kommen sollte. 76 Mal steigt der KZ-Insasse als Amateurboxer in den provisorischen Ring. Und genauso oft muss er mitansehen, wie seine Gegner, die den Kampf verlieren, ermordet werden.
Im April 1945 gelingt Harry Haft die Flucht. Er tötet einen SS-Mann und flüchtet in dessen Uniform unerkannt, bis er 1948 in die USA auswandert.
Kurz vor seinem Tod gibt er seine Geschichte preis
In den USA beginnt er eine Karriere als Profiboxer und tritt gegen den damaligen Boxweltmeister im Schwergewicht Rocky Marciano an. Diesen aussichtslosen Kampf verliert er genau wie 8 seiner insgesamt 22 Profikämpfe. Seine Geschichte wird erst bekannt, als Harry Haft – kurz von seinem Tod im November 2007 – seinem Sohn Alan Scott von den Ereignissen in Auschwitz berichtet. Der veröffentlicht die Lebensgeschichte seines Vaters später als Buch.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Der Berliner Comiczeichner Reinhard Kleist hat die Geschichte des Boxers von Auschwitz aufgeschrieben und ein vielschichtiges Porträt von Harry Haft gezeichnet.
- Der in London lehrende Historiker Nikolaus Wachsmann gibt einen Überblick über den "Alltag" in einem Vernichtungslager und schildert ähnliche Schicksale, bei denen bestimmte Fähigkeiten das Leben der Häftlinge "erleichtert" haben.
- Henry Maske war Weltmeister im Halbschwergewicht und berichtet über Besuche des Vernichtungslagers Auschwitz als Jugendlicher in der DDR.
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld erläutert die Anfänge des Lagersystems von Auschwitz, das 1916 als Lager für sogenannte "Sachsengänger" begann.
- Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Christine Werner schildert die Situation von Harry Haft im Vernichtungslager Auschwitz.