Um die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs im Netz zu verringern, will die EU eine Verordnung auf den Weg bringen, die das Mitlesen privater Chats erlaubt. Bei dutzenden zivilgesellschaftlichen Organisationen stößt das Vorhaben auf Ablehnung.
Um die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen im Netz zu stoppen oder zumindest zu verringern, plant die Europäische Union eine Verordnung, die voraussichtlich ab 30. März 2022 gelten soll. Chats in Whatsapp, Telegram, Signal und Co sollen dann automatisch mit Kontrollalgorithmen nach problematischen Inhalten durchsucht werden.
39 Bürgerrechtsorganisationen geht das Vorgehen entschieden zu weit, weil damit Freiheitsrechte im Netz bedroht werden könnten.
Chatinhalte können mit der EU-Verordnung an die Polizei geleitet werden
Messenger-Dienste würden verpflichtet, problematische Inhalte an die Polizei weiterzuleiten. "Dieses neue Gesetz ist bekannt geworden unter dem Schlagwort Chatkontrolle. Das bedeutet, dass unsere Chats bei Whatsapp oder Signal – obwohl sie eigentlich zum Schutz der Privatsphäre verschlüsselt sind – mitgelesen werden können", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Martina Schulte.
Theoretisch sind Behörden dann in der Lage, alle im Netz versendeten Nachrichten mitzulesen. Ein Kritikpunkt: Es bestünde die Gefahr, dass ein solches Tool auch für andere Straftatbestände eingesetzt wird.
"Das Vorhaben der Europäischen Union schafft ein potenziell sehr mächtiges Überwachungstool. Theoretisch können dann alle im Netz verschickten Nachrichten mitgelesen werden."
Andere mögliche Anwendungsbeispiele zur Überwachung von Chats sind zum Beispiel die Möglichkeit, die illegale Verbreitung von runtergeladenen Filmen oder Songs zu kontrollieren.
Für zivilgesellschaftliche Organisationen wie den Chaos Computer Club, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz und Deutsche Anwaltverein und viele mehr stellt sich die Frage: Lässt sich die Kontrolle wirklich auf Missbrauchsdarstellungen begrenzen? Weil eine Grenze schwierig ist, sollte das Vorhaben aus ihrer Sicht gar nicht erst umgesetzt werden.
"Chinesische Verhältnisse"
In dem Protestschreiben heißt es, dass die geplante EU-Verordnung einen gefährlichen Präzedenzfall schafft für die massenhafte Ausspähung privater Kommunikation. Damit drohe ein breiter Angriff auf die sichere Verschlüsselung, steht in dem Protest außerdem. Denn damit werde die Verschlüsselung durch die Hintertür ausgehebelt.
Die neue Verordnung ist noch nicht beschlossen. Von einigen EU-Abgeordneten gibt es Widerstand. Sie befürchten ähnlich wie die Bürgerrechtler, dass die Freiheitsrechte eingeschränkt werden und warnten vor "chinesischen Verhältnissen".