Sie ist kostengünstig und wird zum sozialen Umfeld – zur Studienzeit gehört sie irgendwie dazu: die Wohngemeinschaft. Doch nicht für alle ist sie nur eine Konstellation auf Zeit. Eine WG kann auch ein alternatives und nachhaltiges dauerhaftes Wohnmodell sein, zeigt unser Beispiel aus Bielefeld.
Auf den ersten Blick wirkt die WG an der Bünder Straße in Bielefeld wie eine "ganz gewöhnliche" Wohngemeinschaft. Doch das täuscht: Drei der vier Mitbewohner*innen studieren schon lange nicht mehr. Und der Altersdurchschnitt hat die 30 auch schon überschritten.
Außerdem gibt es hier keine WG-Zimmer, sondern Wohnungen: Im ersten Stock des kleinen Mehrfamilienhauses wohnen Markus und Laure, im Erdgeschoss Henriette und Yashar. Immer mit dabei ist außerdem Hund Forest.
Wohnungen statt Zimmer
Die vier Freunde kennen sich schon einige Jahre und haben teils auch schon vorher in klassischen WGs zusammengewohnt. Irgendwann wurden ihnen ihre WG-Zimmer dann aber zu klein. Das WG-Leben wollten sie aber trotzdem nicht ganz aufgegeben. Deshalb hat sich jedes Paar eine eigene Wohnung im gleichen Mehrfamilienhaus gemietet.
Das Wohnen als Paar sei "so ein bisschen die klassische Wohnsituation, die man sich so vorstellt, wenn man aus dem Studium rauskommt und in die Arbeitswelt geht", sagt Markus. Auf den WG-Charakter wollte er aber trotzdem nicht verzichten.
"Ich möchte lieber ein bisschen WG-Charakter haben und so leben, wie wir es jetzt tun. Und das auch in Zukunft."
WG-Klassiker, etwa einen Putzplan, brauchen die vier nicht. Denn jedes Paar hat ja seine eigene Wohnung. Abseits vom Putzen wird aber fast alles gemeinschaftlich organisiert – zum Beispiel Einkaufen und Essen kochen.
Putzen allein, Essen zusammen
Von montags bis donnerstags regelt ein Einkaufs- und Kochplan, wer für die Mahlzeiten zuständig ist, erklärt Henriette. In der WG-Gruppe eines Messenger-Dienstes wird kommuniziert, wann gegessen wird.
Gerade nach stressigen Arbeitstagen ist das regelmäßige gemeinsame Essen ein richtiger Anker, sagt Mitbewohnerin Laure, die als Lehrerin arbeitet. Der Austausch mit den anderen sorge für neue Energie.
"Mir bringt das auch immer so eine neue Energie nach dem Tag. Dann hab ich so fröhliche Leute, die dann hochkommen - und jeder kann mitteilen und erzählen, - mir tut das immer gut."
Neben den zwei Wohnungen gehört auch ein Garten zum Mehrfamilienhaus: Kartoffeln, Kräuter, zwei Hochbeete - der Garten wird von der WG gemeinsam bewirtschaftet. Und er wird wirklich genutzt, sagt Markus. Gerade bei den Gärten rundherum, die zu größeren Häusern mit mehreren Wohnungen gehören, sei das ja oft so, dass die Menschen den Garten zwar nutzen könnten - es dann aber in der Regel nicht wirklich tun.
Garten und Keller gemeinsam
"Dadurch, dass wir auch vier Leute sind, die unterschiedliche Expertisen mitbringen, können wir viel selber machen und reparieren. Dadurch müssen wir nicht so viel neu kaufen."
Klingt alles zu perfekt?
Warum das klappt? Das Wichtigste ist, dass man Konflikten eher ausweicht, als sie zu suchen, sagt Markus. Und seiner Erfahrung nach seien die vier WG-Bewohner*innen so drauf. Yashar stimmt zu: Die vier würden keinen Konflikt heraufbeschwören, wo keiner sei.
"Es ist jetzt nicht so, dass wir den Konflikt scheuen - aber wir beschwören auch keinen herauf, wo keiner ist."
Eine eigene Wohnung bewohnen, aber trotzdem jeden Tag Menschen haben, die mit einem essen, Filme gucken oder das Fahrrad reparieren. Und dabei gleichzeitig Geld und Ressourcen sparen. Mit dem nötigen sozialen Feingefühl und den richtigen Menschen kann das ein funktionierendes Langzeitkonzept sein. Die Haus-WG in Bielefeld zeigt, dass es funktioniert: Yashar kann sich vorstellen, "so oder so ähnlich auch noch in zehn Jahren zu leben".