Vor Reisen sind wir immer ein bisschen aufgeregt, im Kleinen kennt das fast jeder von uns. Bei Gabi Finck ist das viel ausgeprägter: Sie leidet an einer Angststörung mit Panikattacken. Und trotzdem schafft sie es, ihrer Sehnsucht nachzugehen und die Welt zu bereisen.
Manchmal ist es für Gabi Finck schon eine Herausforderung, das Haus zu verlassen. Seit vielen Jahren hat sie eine Angststörung. Gleichzeitig hat sie aber eine große Reisesehnsucht. Immer wieder versuchte sie Ausflüge im Kleinen, aber scheiterte oft, drehte um. Zu groß der Stress, zu groß die Ängste, zu stark das Gefühl, dass sie sich schlecht fühlen würde, wenn sie unterwegs ist.
"Ich bin jahrelang nicht gereist und jahrelang kaum in die nächste Stadt gekommen."
Und trotzdem erfüllte sie sich ihren Wunsch irgendwann. Rückblickend glaubt sie, dass ihre ganzen kleinen Versuche, auch wenn viele davon nicht klappten, einen unbewussten Effekt hatten: Wenn sie sich später an diese Ausflüge erinnerte, dominierte das gute Gefühl, dass sie unterwegs war trotz Angst, die sie oft im Nachhinein vergaß. Schritt für Schritt traute sie sich so mehr, sagt sie heute.
"Auch wenn ich meine Rückschläge hatte, hat es mich doch gestärkt und immer wieder ermutigt."
Und dann kam die erste große Reise: Israel! Gabi wollte einen Freund besuchen. Die beiden hatten sich in Deutschland kennengelernt, tolle Gespräch geführt, schöne Momente verbracht und auch schon kleine Ausflüge zusammen probiert. Und dieser Freund wohnte nun mal in Israel. Also überwand sie sich, wagte es und setze sich in den Flieger.
Stolz, die Angst besiegt zu haben
Aus dem Flugzeug dann auszusteigen, war ein bombastisches Gefühl, erzählt sie rückblickend. Es war nicht nur alles genau so toll, wie sie es sich vorgestellt hatte – die Hitze, die Palmen – sie war auch stolz, es geschafft zu haben. Die ganze Reise hat sich bei ihr sehr positiv eingeprägt, erinnert sich Gabi im Gespräch mit unserer Moderatorin Rahel Klein.
"Die Freundschaft macht es möglich! Wenn man tatsächlich eine starke Motivation hat, dann geht das."
Ihre erste Reise hat sie bis auf wenige Ausnahmen in sehr guter Erinnerung. Sie weckte Kräfte in ihr, die sie verloren glaubte, erinnert sie sich. Zu allen Vorschlägen ihres Freundes sagte sie ja. Alles schien möglich.
"In dem Moment habe ich eine ungeahnte Kraft in mir gehabt, die ich schon seit Jahren nicht mehr kannte."
Reisen ist für Gabi ein Symbol dafür, dass man über sich selbst hinauswächst. Und das bezieht sie nicht nur auf Personen, die besonders mit Ängsten zu tun haben. Über den Tellerrand schauen, aus dem Alltag ausbrechen, andere Dinge wagen, Neues erleben, durch andere Menschen inspiriert werden – das ist das, was Reisen mit ihr macht, beschreibt sie.
"Für mich ist Reisen symbolisch für sich ins Leben zu wagen. So eine Art gelebte Lebenslust."
Gabis Tipp an alle Reiselustige mit Angst: Sucht euch ein Zugpferd und eine Motivation. Wenn die stark genug ist, so wie ihr Wunsch, ihren Freund zu besuchen, dann kann es auch klappen - ohne sich zu zwingen. Zudem solltet ihr euch nicht zu viel vornehmen und nicht mit anderen vergleichen, die nicht unter Ängsten leiden, rät sie. Und ihr ist es wichtig, sich eine Art Ankerplatz zu suchen: eine Unterkunft, in die sie sich zurückziehen und entspannen kann.
"Wenn der Wille da ist, dann versetzt das Berge!"
Das Reisen hat sie gelehrt, dass sie alles schaffen kann trotz ihrer Angst, erklärt Gabi. Sie fühle jetzt, dass sie die Gestalterin ihres Lebens ist, die Angst ist "nur noch Begleiter, kein Hinderer mehr". Wichtige Erkenntnis aber auch: Sie muss gar nicht alles schaffen! Gabi steht zu sich, auch wenn es mal nicht klappt: "Ich bin sehr froh, auch gelernt zu haben, den Mutz zu haben, 'Nein' zu sagen." Man muss nicht immer funktionieren und hat das Recht auf ein Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung, betont sie.
"Zu sich zu stehen und sich Raum zu geben, ist eine Form von Selbstliebe, die, glaube ich sehr wichtig ist."
Im Interview mit Rahel Klein erzählt Gabi auch, was sie unterwegs macht, um gegen Ängste vorzugehen, ohne sich zu überfordern, wie wichtig Therapie für jeden sein kann, auch Menschen ohne Angstproblematik, und sie spricht von weiteren Reisen – auch solchen, die sie abgebrochen hat ... und warum das absolut ok ist. Außerdem beschreibt sie, wie andere gut mit Personen mit Angstproblematik umgehen können. Unter anderem. Klickt auf Play, um das ganze Gespräch zu hören.
Über ihre Erfahrungen hat Gabi auch ein Buch geschrieben: "Mit Mut im Herzen und Angst im Gepäck – Von der Freiheit, die Welt zu bereisen".
Sucht Euch Hilfe!
Wenn auch Ihr Ängste habt, aber mit niemandem darüber reden könnt, oder aus anderen Gründen Hilfe braucht, könnt ihr euch telefonisch oder online bei der Telefonseelsorge melden. Unter den kostenlosen Hotlines 0800-111 0 111 und 0800-111 0 222 könnt ihr euch anonym und vertraulich beraten lassen. Weitere Hilfsangebote haben wir hier für euch aufgelistet.