Medien, Wahlrecht, Rechtssystem: Wie gut unsere Demokratie gegen rechtsextreme Einflussnahme gewappnet ist, beschreibt die Rechtswissenschaftlerin Michaela Hailbronner.
Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Oktober 2023 gingen 14,7 Prozent beziehungsweise 18,4 Prozent der Stimmen an die AfD. Im kommenden Jahr wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt. Umfragen sehen die AfD bei über 30 Prozent. Angesichts dieser Werte für eine in Teilen rechtsextreme Partei stellt sich die Frage: Wie sicher ist unser Rechtssystem vor Eingriffen von Demokratieverächtern?
"Wie anfällig ist hier das deutsche Rechtssystem?"
Für Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke ist Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán erklärtermaßen ein "Vorbild". Hailbronner begreift Staaten wie Polen und Ungarn als potenzielle Blaupause für rechtsautoritäre Eingriffe. Sie betont allerdings auch, dass sie Landesregierungen mit AfD-Beteiligung auf absehbare Zeit für ausgeschlossen hält.
Ungarn als Blaupause für Deutschland geeignet
Dennoch sieht sie den Fall Ungarn als eine Art "Playbook" für entsprechende Ambitionen in Deutschland. Demnach wären Angriffe an drei Stellen zu erwarten: in den Medien, im Wahlrecht und im Gerichtssystem. Allerdings erscheinen ihr die Medien weitgehend geschützt zu sein vor entsprechenden Eingriffen. Dass sie in nennenswerter Weise durch die AfD kontrolliert werden könnten, erscheint ihr unwahrscheinlich.
"Mehr Aufmerksamkeit sollten wir der Organisation von Wahlen widmen. Hier besteht ein gewisser Raum für Manipulationen."
Einfacher seien dagegen Änderungen im Wahlrecht zu erreichen, da diese mit einfachen Mehrheiten machbar seien. Auch durch die AfD, wenn sie denn entsprechende Mehrheiten hätte. An dieser Stelle könne gesetzgeberisch noch nachgebessert werden, meint die Juristin.
Rechtsextreme Einflussnahme könne auch Gerichte und die Rechtsprechung betreffen. Wie in Polen und Ungarn könnten Richterinnen und Richter vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden oder an andere Gerichte. Es könnte Einfluss auf die Fälle und die Reihenfolge der Bearbeitung genommen werden.
"Aus Polen und Ungarn wissen wir schon, dass Rechtsautoritäre mittels verschiedener Maßnahmen versuchen, Einfluss auf Gerichte zu nehmen."
Auch die ganz praktische Besetzung von Richterstellen könne großen Einfluss haben, wenn die Rechtsprechung von parteilichen Interessen geleitet würde. Besonders betroffen könnten in diesem Fall LGBTIQ+ Personen sein oder Asylbewerber.
Recht, so Hailbronners Fazit, könne politische Wandlungsprozesse verlangsamen oder abschwächen, aber nicht auf Dauer verhindern. Insgesamt aber sei die deutsche Gesetzgebung gut aufgestellt und geschützt.
Michaela Hailbronner hat den Lehrstuhl für deutsches und internationales öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität Münster inne. Sie hielt ihren Vortrag mit dem Titel "Wehrhafte Demokratie in Deutschland. Zum Vertrauen in die Demokratie und den Grenzen des Rechts" am 22. September 2023, anlässlich des Beats & Bones-Festivals im Museum für Naturkunde Berlin.