Im Iran gehen die Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini weiter. Auch weltweit wird demonstriert. Doch was bringen Proteste im Ausland? Die Machthaber im Iran werden sie weniger interessieren, vermutet der Protestforscher Tareq Sydiq. Aber durchaus die Demonstrierenden im Iran.
Mitte September war Mahsa Amini von der Sittenpolizei in Teheran festgenommen worden. Ihr Kopftuch saß nicht richtig, so der Vorwurf. Kurze Zeit später starb die 22-Jährige. Wir haben hier darüber berichtet. Seitdem reißen die Proteste in Iran nicht ab. Auch darüber haben wir berichtet.
In den vergangenen Tagen gingen weiterhin tausende Menschen gegen das islamische Herrschaftssystem und die systematische Diskriminierung von Frauen auf die Straße.
Proteste im Ausland gegen die Machthaber in Teheran
Mittlerweile wird auch im Ausland demonstriert. In Paris, Brüssel, Madrid, New York und auch in Berlin vor der Botschaft des Irans protestieren Menschen. Das Titelbild unseres Artikels zeigt eine Demonstration in Kopenhagen, in Dänemark, am 24. September. Auch in Kanada gingen Menschen auf die Straße.
Die Regierung in Teheran interessierten die Proteste eher wenig, so der Protestforscher Tareq Sydiq vom Zentrum für Konfliktforschung in Marburg. Die Machthaber seien eher besorgt, was im Land selbst passiert. Doch die Protestierenden in Iran interessierten sich durchaus dafür, wenn es im Ausland Unterstützung und Solidarität gäbe.
"Die Protestierenden in Iran interessiert es absolut, wenn es eine Solidaritätsbewegung gibt."
Dabei gehe es zum einen um einen psychologischen Aspekt, so Tareq Sydiq. "Wenn ich auf der Straße bin und ich bin massiver Gewalt ausgesetzt, dann macht es einen Unterschied, wenn ich sehe, ich bin international nicht allein", sagt der Protestforscher. Eine Solidaritätsbewegung im Ausland könne die Menschen darin bestärken, trotz aller Widrigkeiten und Gefahren weiterhin an Protesten teilzunehmen.
Proteste können den internationalen Druck erhöhen
Zum anderen würden Proteste wie in Berlin von der Bundesregierung wahrgenommen. Je größer der Protest, desto eher könne sich das auf die Außenpolitik auswirken, sodass die Regierungen in Berlin auf internationaler Ebene die Verletzungen der Menschenrechte in Iran thematisierte. Oder vielleicht weitere Sanktionen diskutiert würden, so Tareq Sydiq. Außenministerin Annalena Baerbock mahnte gestern (26. September) neue Sanktionen gegen Iran an, berichtete der Deutschlandfunk.
"Gleichzeitig erzeugt ein Protest gewisse Bilder, die auch im Iran von der Bevölkerung wahrgenommen werden", sagt der Wissenschaftler. So können bestimmte Protestmuster und Proteststrategien auch rezipiert werden.
Bei früheren Protesten seien die Forderungen auf Demonstrationen im Ausland teils umfassender gewesen als im Iran, so Tareq Sydiq. Es wurde ein noch größerer Umschwung im Land gefordert. Ebenso waren die feministischen Visionen noch klarer gewesen. "Das ist diesmal anders", sagt Tareq Sydiq. "Weil sich die Proteste auch in Iran sehr zugespitzt haben – und vieles sagbar machen, was vorher nicht so einfach auf der Straße artikulierbar war."
Dennoch sei auch klar, dass die Veränderung in Iran vor sich gehe. Entscheidend ist, wie sich die Proteste dort entwickeln. Und auch, wie die Machthaber reagieren.
"Ich glaube, die größten Veränderungen finden letztlich trotzdem innerhalb des Landes statt."
Dennoch: Die Proteste im Ausland führen dazu, dass Inhalte aus dem Iran nach außen getragen und verstärkt werden.