Vorbei die langen Gespräche und Barabende: Wenn Paare Kinder kriegen, dreht sich vieles um den Nachwuchs. Dabei kommen auch manche Freundschaften zu kurz.
Lina Mallon ist Autorin, Podcasterin und Reisefotografin und weiß, was Kinderkriegen mit Freundschaften macht. Plötzlich haben Freunde vor lauter Windeln wechseln, schmusen und stillen kaum noch Zeit, sich auf einen Kaffee zu treffen. Und man selbst fühlt sich außen vor und stellt seinen Lebensentwurf in Frage.
Nachdem immer mehr aus ihrem Freundeskreis Eltern wurden, fühlte sich auch Lina unter Druck. Obwohl sie eigentlich gar keinen Kinderwunsch hat.
"Ich hatte überhaupt nicht das Bedürfnis, auch ein Kind zu bekommen."
Der Babyboom brachte Lisa dazu, sich selbst zu hinterfragen: Ist es überhaupt okay, kein Kind zu wollen? So entstand das Gefühl, im eigenen Freundeskreis mit der Lebensplanung irgendwie hinterherzuhinken.
"Wenn alle um dich herum anfangen Kinder zu bekommen, hinterfragst du dich, warum du das selbst nicht willst."
Von ihren Freunden und Bekannten weiß Lina, dass manche schwanger geworden sind, weil das soziale Umfeld und die Beziehung eben gerade gepasst haben. Lina glaubt, dass manche Paare den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen wollen.
Offenheit in der Freundschaft
Für die werdenden Mütter in ihrem Freundeskreis brachte Lina dennoch reichlich Verständnis mit. "Da kamen auch ganz viele Ängste, Sorgen, Einschränkungen und Absagen von der Freundin, die gerade Mutter geworden ist."
Dass sich eine alte Freundin aber plötzlich nur noch als Mutter identifiziert, war für Lina ungewohnt. "Es ist nur noch Leons Mutter da, wenn wir uns treffen. Die muss ich erst mal wieder zu meiner Freundin machen."
Schade findet Lina, dass manche Mütter sich mit ihr teilweise nicht mehr über Reisen und Dating unterhalten konnten. Sie würde sich umgekehrt auch die Zeit dafür nehmen, den Müttern bei ihren Problemen zuzuhören: "Ich wusste mehr über Babybreie als Dating-Apps Bescheid." Lina findet, in einer guten Freundschaft hören sich beide Seiten aufmerksam zu und zeigen Interesse - auch wenn die eine Freundin in einer ganze anderen Welt lebt, als die andere.
"Meine Freundin spielt ja weiterhin eine Rolle für mich, also muss ich einen Weg finden, auch ihre Themen an mich heranzulassen. Das ist etwas, das muss von beiden Seiten kommen."
Wenn in Linas Freundschaften kein Raum für ihre Lebenssituation gegeben ist, findet sie, dass es an der Zeit ist, die Freundin gehen zu lassen.
Für die Zukunft wünscht sich Lina "brutale Offenheit" von ihren Freunden. Mit ihrer besten Freundin hat das geklappt: Die beiden haben sich geschworen, sich immer ehrlich zu sagen, wenn sie etwas stört oder sie sich zurückgesetzt fühlen.
Wie lässt sich eine Freundschaft also trotz Baby retten? Zuhören, sich Zeit nehmen, Verständnis füreinander aufbringen. Und eben nicht nur Mutter sein, sondern auch Mensch und die Freundin, die man davor schon war.
Es geht nicht nur um Babybrei
Dass Freundschaften automatisch auseinandergehen, sobald Kinder im Spiel sind, denkt Jenny Wagner nicht. Sie ist Professorin für Psychologie an der Uni Hamburg und forscht zur Persönlichkeitsentwicklung. "Von einem Automatismus kann in gar keinem Fall die Rede sein."
Die Expertin glaubt, dass wir notfalls auch telefonisch Kontakt zu unseren Freunden mit Kindern halten können. Die Herausforderung sei es, über unterschiedliche Themen mit einander reden zu können. Wenn uns das nicht gelingt, dann zeichnet sich ab, dass wir uns eher zu anderen Singles oder Eltern hinorientieren.
"Wir sehen in Studien ganz klar, dass Familien die Tendenz haben, mit anderen Familien die Zeit zu verbringen."
Jenny Wagner führt das auch auf eine Belastung der Paarbeziehung durch die Lebenssituation mit Kind zurück. Das versteht nicht jeder. "Schwangerschaft kann man sich schwer vorstellen." Für Mütter ist es daher meist leichter, sich mit Freunden zu verabreden, vor denen sie sich nicht erklären müssen.
Das bleibt nicht immer so
Und die andere Seite? Singles, die bewusst kinderlos sind und denen die Babybrei-Themen auf den Nerv gehen müssen womöglich nach anderen Freundschaften Ausschau halten.
Und Freundschaften, die wegen eines Babys auseinandergehen, können auch später wieder zueinanderfinden.
"Man ist ja noch mehr als nur Mutter oder Vater."
Ab einer gewissen Zeit gäbe es auch für junge Eltern wieder Raum, um Hobbys und Freundschaften nachzugehen. "Man kann zwischen durch auch mal ein Jahr haben, wo man weniger Kontakt hat", meint sie abschließend.
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