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Nach den Flughäfen trifft es nun Kliniken, Kitas und den Nahverkehr: Die Gewerkschaft Verdi erhöht mit massiven Warnstreiks den Druck vor der nächsten Tarifrunde. Sie fordert acht Prozent mehr Gehalt. Können sich die Arbeitgeber das überhaupt leisten?

Kliniken, Kitas, Stadtverwaltungen, Jobcenter, Flughäfen und der Öffentliche Nahverkehr – tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst streiken. Aufgerufen hat die Gewerkschaft Verdi. Sie fordert acht Prozent mehr Lohn. Das ist übertrieben, sagen die Arbeitgeber. Nein, sagt Marie Liepa, das ist angemessen und nötig.

Lohnforderungen in Zeiten von Inflation und knappen Kassen

Marie ist 24 Jahre alt, arbeitet als Gesundheits- und Krankenpflegerin in einem Klinikum in Hannover. Außerdem ist sie in der Gewerkschaft aktiv. "Ich finde die Forderung mehr als fair, weil natürlich auch Menschen, die in der Pflege arbeiten, von der Inflation betroffen sind", argumentiert Marie. Zudem, betont sie, sei die Pflege nicht nur körperlich, sondern auch emotional extrem anspruchsvoll. "Ich finde, acht Prozent sind da nicht nur an Anerkennung von Belastung, sondern machen den Beruf auch attraktiver und können dadurch auch das Problem lösen."

"Man sollte nicht vergessen, dass die Intensität und Länge eines Streik nicht von den Streikenden ausgehen, sondern davon, wie die Verhandlungen verlaufen."
Marie Liepa, Gesundheits- und Krankenpflegerin

Das Problem, von dem Marie spricht, ist das fehlende Personal an den Kliniken. Verdi zufolge fehlen in Deutschland Hunderttausende Beschäftigte. Hinzukommen 70 Millionen Überstunden, die ungenutzt bleiben, weil Beschäftigte sie aufgrund des Personalmangels nicht abbauen können. Marie wiederum weiß aus Gesprächen mit Auszubildenden: Ob oder wie lange sie den Job auch nach der Ausbildung weitermachen wollen, ist auch eine Frage der Bezahlung.

Acht Prozent mehr: Was heißt das auf dem Konto?

Verdi fordert acht Prozent mehr Lohn für insgesamt um die 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Insgesamt sind das zusätzlich 15 Milliarden Euro pro Jahr, rechnet Niklas Behrendt von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände im ZDF vor. Dieses Geld sei nicht da, dafür aber Investitionsstau und wachsende Schulden.

"So ist das, Forderungen kommen immer zum falschen Zeitpunkt", sagt Nicolas Lieven nicht ohne Ironie. Der Wirtschaftsjournalist ist sich sicher: Die acht Prozent wird Verdi nicht durchkriegen. Doch genau darum gehe es ja bei Verhandlungen: Im Lauf der Zeit nähere man sich einander an.

Doch mal angenommen, Verdi kommt mit seinen Forderungen durch. Was würden acht Prozent mehr Gehalt für eine Krankenpflegerin wie Marie bedeuten? Nicolas Lieven rechnet es vor: Laut Arbeitsagentur verdienen Krankenpfleger*innen ungefähr 4.000 Euro brutto. Acht Prozent mehr Lohn würden 320 Euro bedeuten. Allerdings brutto. Netto, so der Wirtschaftsjournalist, blieben da etwa 170 Euro übrig.

Wenn Menschen wie Marie auf die Straße gehen, kämpfen sie also um nicht mal 200 Euro mehr auf dem Konto. "Sehr wahrscheinlich wird Pflege also nie ein Beruf sein, den man nur oder vor allem wegen des Geldes macht. Das sei auch nicht das Ziel", sagt Marie. Sie selbst liebt ihren Beruf, würde sich ganz bewusst wieder für ihn entscheiden. "Doch um einen Beruf gut und gerne auszuüben, muss man auch mal durchatmen können." Doch genau das sei unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Kliniken, Kitas, Nahverkehr
Warnstreik: Sind acht Prozent mehr Lohn dreist oder berechtigt?
vom 12. März 2025
Moderation: 
Marcel Bohn
Gesprächspartnerin: 
Marie Liepa, Krankenpflegerin
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist