Bald haben sie ihr Ziel erreicht: Die jungen Waldrappe aus dem Wiederansiedlungsprojekt am Bodensee sind das erste Mal auf dem Weg in ihr Winterquartier in der Toskana. Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg begleitet die Tiere und erklärt, warum dies nötig ist.
Waldrappe, das sind schwarze Vögel, so groß wie Gänse, mit langen rötlichen Schnäbeln. Zwar haben sie nicht immer Lust, aber bisher verlief die erste Migration der Waldrapp-Jungtiere vom Bodensee in die Toskana gut, sagt Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg. Sie gehört zum Team des Wiederansiedlungsprojekts, das die Jungtiere mit Ultraleichtflugzeugen begleitet. Im Rahmen des europäischen Projekts Reason For Hope soll der Waldrapp in Europa wieder angesiedelt werden – die Brutkolonie in Überlingen ist die dritte ihrer Art.
Am 15. August sind die Waldrappe und ihr Betreuungsteam in Überlingen am Bodensee gestartet und seitdem auf dem Weg. Ziel ist das circa 900 Kilometer entfernte Naturschutzgebiet Laguna di Orbetello in der Toskana.
"Bis jetzt hat alles super geklappt, die Vögel sind auch immer brav mitgeflogen. Nur heute sind sie umgedreht und wir sind ein bisschen retour geflogen."
Am 28. August hat die Gruppe bereits Borgo San Lorenzo im Apennin in Italien erreicht – rund 200 Kilometer liegen noch vor ihnen. Auf der App des EU-Projekts kann die Route in Echtzeit verfolgt werden.
In Bogo San Lorenzo wird die Reisegruppe etwas länger bleiben, als gedacht: Als das letzte Stück der Reise vor Kurzem starten sollte, sind die Jungtiere umgekehrt – sie wollten nicht mehr weiterfliegen. Anne-Gabriela Schmalstieg und ihre Kollegen sind aber zuversichtlich, dass sie bald wieder reisen können.
Waldrappe sollen wieder wild in Europa vorkommen
Seit dem 17. Jahrhundert gilt der Waldrapp in Europa als ausgestorben – er wurde einfach zu oft gejagt und gegessen. Lange glaubte man daher, dass es keine Exemplare mehr in der Welt gebe. Bis festgestellt wurde, dass der Waldrapp doch noch außerhalb von Europa zu finden ist.
"Wir haben sie jeden Tag gefüttert, gestreichelt, mit ihnen gespielt – und sie dadurch auch sozial auf uns geprägt. Dadurch vertrauen sie uns extrem. Sie sehen uns als ihre Zieheltern an und haben das Vertrauen, uns hinterherzufliegen."
Die Tiere des Wiederansiedlungsprojekts stammen aus Zoohaltung – Anne-Gabriela Schmalstieg und andere Kollegen haben sie großgezogen und auf sich geprägt. Die jungen Waldrappe vertrauen und folgen ihnen. Menschen und Tiere haben sich aneinander gewöhnt.
Waldrappen müssen noch ausgewildert werden
Damit die Waldrappe aber in Freiheit überleben können, müssen sie nach Erreichen des Winterquartiers erst einmal lernen, sich selbstständig Fressen zu suchen. Daher werden Anne-Gabriela Schmalstieg und das restliche Team noch bis in den Herbst mit den Waldrappen arbeiten. Danach sollen sich die Jungtiere anderen Waldrappen anschließen, die sich im Wintergebiet befinden.
"Wenn wir angekommen sind, werden wir sie erst einmal entwöhnen, damit sie selbstständig fressen. Dann werden wir sie irgendwann im Herbst freilassen, damit sie sich den Waldrappen anschließen, die sich bereits im Wintergebiet befinden."
Waldrappe sind Tiere, die erst einmal die Flugroute lernen müssen, sagt Anne-Gabriela Schmalstieg. Da es noch keine erwachsenen Leittiere am Bodensee gibt, zeigen ihnen die menschlichen Zieheltern den Weg. Spätestens in drei Jahren, wenn die Waldrappe geschlechtsreif sind, sollen sie ihren Weg alleine ins Brutgebiet finden. Dort werden sie im besten Fall brüten und ihrem Nachwuchs später den Weg zu zeigen – dann aber ohne das Team des Wiederansiedlungsprojekts.
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