Gibt es Zufall? Ist alles vorherbestimmt? Der Physiker Florian Aigner sagt: Vieles ist Statistik. Trotzdem: Die Natur hat den Zufall fest mit eingebaut.
Da fliegt man 10.000 Kilometer weit weg in den Urlaub und trifft an irgendeinem abgelegenen Fleckchen einen alten Arbeitskollegen. Vermutlich fällt dann der Satz: Was ist das denn für ein Zufall?
Je nach Ansichtsweise lassen sich darauf mit zwei Extremen antworten:
- Das kann kein Zufall sein, das ist Fügung, Schicksal, Bestimmung.
- Das ist kein Zufall, das ist Wahrscheinlichkeit. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass man eine bekannte Person an einem weit abgelegenen Ort trifft, aber eben auch unwahrscheinliche Dinge können eintreten.
Von letzterem ist Florian Aigner überzeugt. Er lebt in Wien, ist promovierter Physiker, Publizist und Autor des Buches "Der Zufall, das Universum und du: Die Wissenschaft vom Glück". Er sagt: Wir merken uns in erster Linie die Ereignisse, die wir gut als Geschichte erzählen können und natürlich tatsächlich erlebt haben.
Die vielen Bekannten, die im Urlaub zwei Straßen weiter unterwegs waren, die wir aber nicht getroffen haben, werden in unsere Betrachtung "Zufall oder nicht" nicht einbezogen - würden wir es tun, wäre ein unwahrscheinliches Treffen mit jemandem im Urlaub schon gar nicht mehr so unwahrscheinlich - und vielleicht dann auch weniger "Zufall".
Bewegung von Himmelskörpern sehr gut vorherzusagen
Generell versucht die Naturwissenschaft, Zufälle auszuschließen. Bei Ereignissen, die berechenbar und vorhersagbar sind, ist demnach kein Zufall im Spiel, hier geht es um Ursache und Wirkung.
Das klappt bei vielem auch sehr gut, zum Beispiel bei der Berechnung von Bewegungen von Himmelskörpern. Wir können sehr gut vorhersagen, wo sich die Himmelskörper in ein paar Jahren befinden werden. Auch die Schwerkraft unterliegt keinem Zufall. Ein Glas fällt auf der Erde immer in Richtung Erdmittelpunkt.
"Den Fundamenten der Wirklichkeit ist der Zufall eingebaut."
Andere Dinge sind dagegen nicht berechenbar, "und sie werden es wohl auch niemals sein", sagt Florian Aigner. Zum Beispiel, was seine Katze in zwei Stunden machen wird. Selbst, wenn das komplette Gehirn der Katze bis ins letzte Detail entschlüsselt wäre, würde eine solche Berechnung kaum möglich. Denn erstens könnte ein winziger Fehler in der Betrachtung oder der Berechnung das Endergebnis komplett ändern, und zweitens ist da noch die Quantenphysik.
Die Quantenphysik besagt unter anderem: Ein Teilchen kann an zwei Orten gleichzeitig sein. Und die Zustände der Teilchen unterliegen - tatsächlich - dem Zufall. "Gewisse Dinge passieren ohne Grund", sagt Florian.
Gibt es nun den Zufall oder nicht?
Ob die einen oder die anderen Dinge in der Zukunft passieren, können wir nicht berechnen, von daher ist für uns wohl beruhigend, wenn wir sie als "zufällig" betrachten.
"Ich finde das schön, dass wir Menschen uns damit abfinden müssen, dass der Zufall in unserem Leben ein gewaltiges Wort mitzureden hat."
Wenn wir zurückblicken: Ist es zum Beispiel Zufall, dass die Erde mit Wasser und Pflanzen und Tieren und Menschen entstanden ist? Zu berechnen und vorherzusagen wäre das vor der Entstehung nicht gewesen.
Im Nachhinein wissen wir: Tatsächlich müssen ganz viele, ganz bestimmte Kriterien - wie Abstand zur Sonne, Größe, Erdkruste etcetera - erfüllt sein, um überhaupt Leben zu ermöglichen. Das ist eine sehr zufällige Kombination, deren Entstehung im Nachhinein einigermaßen erklärbar ist.
Entstehungsprodukt aus Zufall
Andererseits: Es gibt so viele Millionen und Milliarden Galaxien und Planeten im Universum - da ist es ziemlich wahrscheinlich, dass irgendwo so etwas wie die Erde entsteht. Aber warum hat es gerade uns getroffen? Das ist doch großer Zufall!
Das kann man so sehen, aber: Es sind ja nur wir selbst, die uns darüber Gedanken machen können. Wir sind quasi ein Entstehungsprodukt aus dem Zufall. Oder anders: Das unwahrscheinliche Ereignis, das gar nicht mehr so unwahrscheinlich war, weil das Universum einfach ganz viele Versuche frei hatte, also Galaxien und Sterne und Planeten.
Zufall eine Chance geben
Florian Aigner sagt, der Zufall würde bei Biografien eine große Rolle spielen. Er hält deshalb nicht sehr viel von Seminaren und Kursen und Büchern, die zur Selbstoptimierung motivieren. Denn zum Beispiel bei der Karriere sei auch immer Zufall im Spiel. Das wiederum soll nicht heißen, sich den ganzen auf die Couch zu legen und zu warten, dass was passiert. Florian Aigner: "Man muss dem Zufall schon eine Chance geben."