Über uns bohrt die Nachbarin, vor der Tür fahren Autos und im Garten spielen Kinder: Geräusche umgeben uns permanent. Gleichzeitig sind wir empfindlicher geworden. Doch Lärm kann auch krank machen.

Es ist ein interessantes Phänomen: Wenn wir selbst Löcher in unserem neuen WG-Zimmer bohren, stört uns der Lärm nicht. Wenn aber jemand über, unter oder neben uns die Bohrmaschine auspackt, kann uns der Lärm ganz schön auf die Nerven gehen.

Dass wir die gleichen Geräusche unterschiedlich bewerten, hat einen Grund: "Die Kontrolle über den Lärm verändert die psychologische Wirkung", sagt André Fiebig. Er leitet die Arbeitsgruppe Psychoakustik und Lärmwirkungen der Technischen Universität Berlin.

Für manche Geräusche haben wir mehr Verständnis

Ob wir den Lärm als nervig empfinden, hängt aber auch von anderen Punkten ab: Wenn wir die Nachbarin mögen, finden wir ihn eher weniger störend. Und wenn wir selbst jede Woche unseren Rasen mähen, haben wir Verständnis dafür, dass jemand anderes das auch macht, ergänzt André Fiebig.

Aber selbst wenn wir gut mit der WG über uns super klarkommen: Wenn die eine Party feiern und wir deshalb nicht schlafen können, kann das unsere Gesundheit dennoch negativ beeinflussen, erklärt Sebastian Rams aus dem Wissensteam von Deutschlandfunk Nova.

Lärm macht krank

Eine Studie des Umweltbundesamtes vom April 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass Lärmbelastungen durch Luft-, Straßen- und Schienenverkehr körperliche und geistige Stressreaktionen auslösen können. Durch ständigen Verkehrslärm kann das Risiko für Depressionen steigen.

Schon länger ist bekannt, dass dauerhafter Lärm auch zu Herzkreislauf-Erkrankungen führt. Und um das zu verhindern, müssen Städte und Kommunen in Deutschland alle fünf Jahre einen Lärmaktionsplan zum Schutz vor Verkehrslärm aufstellen.

"Wir verarbeiten immer Geräusche. Das ist Segen und Fluch zugleich."
André Fiebig, Leiter der Arbeitsgruppe Psychoakustik und Lärmwirkungen der Technischen Universität Berlin

Wie schön wäre es da, die Ohren einfach schließen zu können, so wie unsere Augen. Doch evolutionär bedingt arbeitet das Gehört sogar im Schlaf – das lässt uns früher wie heute Gefahren erkennen. "Das ist Segen und Fluch zugleich, weil das heißt, dass wir immer Geräusche verarbeiten. Das führt dazu, dass physiologische Reaktionen immer getriggert werden", erklärt Psychoakustiker André Fiebig.

Das geschieht übrigens unabhängig davon, ob wir Geräusche als angenehm oder störend empfinden. Das lässt sich nicht kontrollieren, und nerviger Lärm lässt sich auch nicht umdeuten.

Bewusst für Ruhe sorgen

Man könnte vermuten, dass unsere Welt immer lauter wird. André Fiebig schätzt jedoch, dass die Lärmbelastung im Großen und Ganzen nicht zugenommen hat. Wir ertragen Lärm einfach nicht mehr.

"Wenn wir uns die Belästigungsdaten anschauen, dann ist es teilweise so, dass die Menschen heute viel weniger tolerant sind gegenüber Lärm als früher." Denn wir wissen einfach mehr darüber, wie schädlich Lärm sein kann.

Deshalb ist es so wichtig, sich ganz bewusste ruhige Oasen zu schaffen – ganz ohne Lärm.

Shownotes
Wahrnehmung
Wann Geräusche zu Lärm werden
vom 11. April 2025
Moderation: 
Nik Potthoff
Gesprächspartner: 
Sebastian Rams, Deutschlandfunk-Nova-Reporter
Gesprächspartner: 
André Fiebig, Leiter der Arbeitsgruppe Psychoakustik und Lärmwirkungen der Technischen Universität Berlin