Wir freuen uns über schöne Musik und haben Angst vor dem bedrohlichen Knurren eines Hundes – schon bevor wir es hören. Denn Geräusche werden zunächst an unser Emotionssystem weitergeleitet und dort bewertet, erst danach nehmen wir sie bewusst wahr: Ein Vortrag über die Komplexität des Hörens von Mediziner und Musiker Eckart Altenmüller.
Zunächst einmal scheint das mit dem Hören recht einfach zu sein: Wenn jemand redet, dann erzeugt er Schall mit seinen Stimmlippen, mit Mund, Lunge und Zwerchfell. Eine andere Person nimmt diesen Schall mit dem Ohr auf. Doch was dann passiert, ist kompliziert.
"Das Hören wird, bevor wir es überhaupt bewusst wahrnehmen, bereits ans Emotionssystem weitergegeben und wird da schon bewertet."
Eckart Altenmüller ist Musiker und Mediziner und forscht seit Langem zu den neurophysiologischen Aspekten des Hörens. Er ist Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musiker-Medizin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
"Wenn Sie sich in einem Konzert für den Klang der zweiten Querflöte interessieren, dann sagt Ihr Gehirn, verstärke die Frequenzen, die typisch sind für die zweite Querflöte, und dann werden Sie die heraushören. Das ist ein bewusster Heraushörungsakt."
In seinem Vortrag erklärt er, was mit unserem Ohr, unserem Gehirn, unserem Bewusstsein und unseren Emotionen passiert, wenn wir etwas hören. Hören, sagt Altenmüller, ist ein aktiver Vorgang. Wir nehmen nicht einfach auf, was an unser Ohr dringt.
Bewusst entscheiden, was wir hören wollen
Wir entscheiden vielmehr, bewusst und unbewusst, welchen Tönen und Geräuschen wir Beachtung schenken und welchen nicht. Dadurch können wir zum Beispiel während eines Konzerts einzelne Instrumente oder Stimmen heraushören.
"Wir sind die Kreatur im Universum, die die meisten akustischen Muster speichern und reproduzieren kann. Kein anderes Lebewesen kann das."
Geräusche, denen wir Aufmerksamkeit schenken, macht ein ausgeklügeltes Verstärkungssystem in unserem Ohr lauter. Die unwichtigen Töne blenden wir hingegen aus. Nicht immer ist es unsere bewusste Entscheidung, was wir beachten und was nicht. Es ist dieses Sicherheitssystem, das uns zum Beispiel in die Lage versetzt, so schnell wie möglich wegzurennen, wen wir einem knurrenden Hund begegnen.
Der Vortrag
Eckart Altenmüllers Vortrag hat den Titel "Hörwunder und -täuschungen. Wissen wir, was wir hören oder hören wir, was wir wissen?"
Er hat ihn am 22. September 2022 in Wolfsburg gehalten, im Rahmen einer Vortragsreihe zum Thema Wahrnehmung, die das Science Center Phaeno in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft veranstaltet hat.