Wahlkampf auf Facebook, Instagram und Twitter ist ja schon selbstverständlich. Aber auf Tinder zwischen Badezimmerfotos und One-Night-Stand-Angeboten für eine Partei werben? Das geht.

Im Wahlkampf kennen Politiker viele Wege, ihre potentiellen Wähler zu erreichen. Der Klassiker: ein Pavillon am Straßenrand mit Luftballons, Windrädchen und Kugelschreibern. Die Leute anzusprechen ist aber eine große Hürde, findet Erik Marquardt.

Der 29-jährige ist Direktkandidat der Grünen für Treptow-Köpenick in Berlin. Er macht es lieber digital. Nicht nur auf Facebook oder Twitter, sondern auch auf Tinder. Da kann er mit den Leuten reden, ohne dass sie direkt eine halbe Stunde Zeit haben müssen, sagt Erik.

Das Tinder-Profil von Erik Marquardt
© Erik Marquardt
Erik Marquardt will auf Tinder nicht flirten, sondern über Politik sprechen.

Mit der Umkreissuche von Tinder kann Erik Marquardt seine junge Zielgruppe ziemlich genau erreichen. Andere Bundestagskandidaten sehen seine Strategie skeptisch. Ein FDP-Kandidat schreibt, das sei ja wohl ein Witz, ein Sozialdemokrat findet es peinlich.

Wer auf einer Dating-App sei, suche Sex-, keine Gesprächspartner. "Auf dem ersten Blick mag das so wirken", sagt Richard Kaniewski. Er hat sich Ende Mai bei Grindr angemeldet, mit einem weichgefilterten Profilbild, lässiger Sonnenbrille und der Info, dass er ein Kandidat der SPD ist. Die Dating-App für schwule und bisexuelle Männer gilt als noch frivoler als Tinder.

"Manche fragen, ob man die Mittagspause nicht gemeinsam im Bett verbringen will. Ich antworte dann immer nur mit einem Augenzwinkern, dass ich gar nicht auf der Suche, sondern dass ich Kandidat bin und gerne in die Kommunikation kommen würde.“
Richard Kaniewski nutzt Grindr für den Stimmenfang.

Richard Kaniewski will den Usern zeigen, dass er sich als Kandidat für queere Rechte einsetzt. Und das kommt an, selbst bei denen, die erst mit ihm ins Bett wollten. In den USA initiierte das Unternehmen Tinder selbst die Aktion "Swipe the Vote", eine Art Wahl-O-Mat. In der Schweiz lud eine Politikerin ihre Tinder-Matches zur Bürgersprechstunde ein. 

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Und in Großbritannien hat die Schriftstellerin und Wahlkämpferin Yara Rodrigues Fowler mit Freunden das ganze professionalisiert: Jeder, der ein Tinder-Profil hatte, konnte einen Chatbot installieren, der jeden Kontakt im Alter zwischen 18 und 25 Jahren geliked und ein Gespräch angefangen hat, ob und wen man wählen möchte. Im Zweifelsfall hat der Bot dann Wahlinfos geschickt.

Für Yara Rodrigues Fowler ist eine Tinder-Kampagne viel unaufdringlicher als der Haustürwahlkampf – schließlich haben da beide schon einmal durch ihr Like gezeigt, dass sie Lust haben, miteinander zu sprechen.

Shownotes
Swipe the Vote
Wahlkampf auf Tinder
vom 12. September 2017
Moderator: 
Paulus Müller
Autorin: 
Katharina Kühn, Deutschlandfunk Nova