Zum Thema "Innere Sicherheit" gibt es viele Vorschläge: Mehr Polizei, mehr Videoüberwachung, mehr Verfassungsschutz. Carolin Matthie hat eine andere Idee - sie will ein liberaleres Waffengesetz.
Auf ihrem Youtube-Channel "girls'n'guns" gibt die Informatik- und Physikstudentin aus Berlin Tipps, wie sich Frauen zum Beispiel mit Gaspistolen selbst verteidigen können. Wenn sie um 23 Uhr abends durchs Industriegebiet jogge, wolle sie kein ungutes Gefühl haben, sagt Carolin. Die Studentin besitzt den kleinen Waffenschein. Ihre Schreckschusspistole ist beim Laufen aber nicht dabei – dafür ist sie mit 600 Gramm einfach zu schwer.
"Jede Person, die zuvor polizeilich überprüft und als zuverlässig eingestuft worden ist, sollte Zugang zu einer Waffe bekommen."
Dass sich diese Einstufung im Laufe des Lebens ändern könne, sieht sie nicht als Problem: Kriminalität entstehe nicht von jetzt auf gleich, sondern sei ein Prozess, der in jungen Jahren beginne und sich dann entwickle, sagt Carolin.
"Die wenigsten wirklich Kriminellen fangen an und bringen von jetzt auf gleich irgendwelche Menschen um."
Mit ihrer Forderung, mehr als nur Schreckschuss-Pistolen bei sich tragen zu dürfen, geht Carolin selbstbewusst an die Öffentlichkeit.
Mehr Waffen = mehr Gefahr?
Dem Argument, jede Waffe mehr erhöhe die Gefahr, dass sie auch verwendet wird, kann Carolin nicht folgen. Eine Waffe sei an sich erst mal kein Tötungswerkzeug. Sie sei ein Werkzeug – wie jemand das einsetze, bleibe ihm selbst überlassen.
Im Sportbereich seien Waffen etwa Sportgeräte – genau wie Tennisschläger, Schlittschuhe oder ein Fußball. Natürlich sollten sich Interessierte vorher das Wissen aneignen müssen, das nötig ist, um eine Waffe zu führen, fordert Carolin.
"Wer eine Waffe als Sportgerät verwendet, der weiß auch, wie er damit umgehen muss. Das ist bei Jägern genau das gleiche: Für sie sind Waffen Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge."
Jäger würden primär nicht Tiere aus Spaß an der Freude töten, sondern Wild-Pflege betreiben. Wenn wir keine Jäger hätten, dann hätten wir auch bald keine Wälder mehr, sagt Carolin. Weil sich dann keiner mehr darum kümmere, das Gleichgewicht der Natur zu erhalten – was die Natur aktuell selbst nicht mehr könne.
Das Führen "echter" Waffen werde die Sicherheitslage in Deutschland weder verbessern noch verschlechtern, glaubt Carolin.
Sicherheitslage in Deutschland
Trotzdem könnten Waffen in entsprechenden Situationen sehr hilfreich sein – weil sich Menschen damit effektiv zur Wehr setzen könnten.
"Man weiß dann auch, dass diese Möglichkeit auf jeden Fall funktioniert – was vielleicht mit einem Pfefferspray nicht so gegeben ist."
In Deutschland bekomme keiner eine Waffe einfach so, sagt Carolin.
Verantwortungsvoller Umgang
Man müsse mindestens ein Jahr lang Mitglied in einem Verein sein und diverse Prüfungen absolvieren, erst danach lasse sich überhaupt erst eine Waffenbesitzkarte beantragen.
"Das Ganze ist auch relativ teuer. Jemand, der nur eine Waffe will, um damit Unfug zu bauen, wird sie sich nicht legal beschaffen, sondern auf dem Schwarzmarkt."
Carolin glaubt, dass Menschen, die sich eine Waffe legal besorgen, dementsprechend engagiert sind: sie wollten sich informieren und seien bemüht, alle Auflagen zu erfüllen.
USA und Deutschland
In den USA sind die Waffengesetze bekanntlicherweise etwas liberaler als bei uns in Deutschland. Diverse Fälle – etwa die in Orlando, San Bernardino, Newtown, Aurora oder Columbine – zeigen, dass Waffenbesitz schlimme Folgen haben kann.
Carolin wünscht sich hier mehr Differenzierung: Die USA habe kein einheitliches Waffengesetz, sondern jeder Bundesstaat mache sein eigenes, sagt Carolin. Das sei in Deutschland anders: Das Waffengesetz (WaffG) sei ein Bundesgesetz und für alle Bundesländer verbindlich.
Handlungsmöglichkeit
Beim Besitz einer Waffe gehe es ihr weniger um das Gefühl, sondern um die Handlungsmöglichkeit, sagt Carolin: Man wisse, man kann etwas tun, wenn man es wirklich muss.
"Es geht nicht darum, dass man sich toll damit fühlt, mit einer Waffe rumzulaufen."
Selbstverteidigungskurse seien zwar gut, doch sie könnten nicht dieselben "erfolgsversprechenden Handlungsmöglichkeiten" garantieren wie eine Waffe. In vielen Fällen sei der Angreifer ebenfalls in Kampfsport erprobt und dem bzw. der Angegriffenen körperlich überlegen.
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