Der Donald Trump von Preußen
Das Preußen Anfang des 18. Jahrhunderts war bemüht, den großen Königshäusern Europas in nichts nachzustehen, es legte Wert auf Etikette und würdevolle Umgangsformen. Doch dann kam Friedrich Wilhelm I., der mit all dem brach. Seinen Imagewandel durchleuchtet Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger in ihrem Vortrag.
Friedrich Wilhelm I. von Preußen ist heute vor allem als "Soldatenkönig" bekannt, der mit den sogenannten langen Kerls. Das waren groß gewachsene, gut aussehende junge Männer, die der König in ganz Europa rekrutieren oder entführen ließ, um mit ihnen sein Regiment zu bilden.
Vom Tyrann zum Tugendhaften
Warum verbinden wir heute ausgerechnet dieses Detail mit dem preußischen König? Warum wir ihn nicht als Tyrann kennen, erklärt die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger in ihrem Vortrag. Das Image des preußischen Königs hat sich im Laufe der Zeit nämlich erstaunlich gewandelt.
Seine Zeitgenossen hielten den preußischen König für geizig. Doch nach seinem Tod wurde ihm das als Sparsamkeit zu Gute gehalten. Seine Verachtung für Frauen wurde ihm als Sittenstrenge und Selbstdisziplin angerechnet, und seine unverhältnismäßige Gewaltanwendung wurde als notwendiges Mittel zur Volkserziehung umgedeutet.
"Die Verhaltensweisen von Friedrich Wilhelm I., die den Zeitgenossen als schwere Störungen oder Laster erschienen, wurden nachträglich zu Tugenden umgedeutet."
Friedrich Wilhelm I. verstieß gegen die Normen seiner Zeit und verachtete die Eliten. In dieser Hinsicht erinnert er an eine politische Figur unserer Zeit: Donald Trump, der ehemalige Präsident der USA. Es ist diese Ähnlichkeit, die das Interesse von Barabara Stollberg-Rilingers geweckt hat.
"Ich sehe eine gewisse Parallele zwischen Friedrich Wilhelm I. und dem letzten US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump."
Barbara Stollberg-Rilingers Vortrag hat den Titel "Grausamkeit, Gottesfurcht und Verzweiflung. König Friedrich Wilhelm I. und der preußische Mythos". Sie hat diesen Vortrag am 21. April 2021 online gehalten für VHS Wissen live, dem digitalen Wissenschaftsprogramm. Das ist das Projekt eines Zusammenschlusses mehrerer Volkshochschulen.