Das Seehaus bei Leipzig ist eine Alternative zum Jugendstrafvollzug. Hier leben Jugendliche in Familien - allerdings mit straff organisiertem Tagesablauf.
Familie Steinert ist zu fünft. Das jüngste Kind ist ein Jahr alt und wird nicht selten von einem der vier jugendlichen Straftäter, die bei der Familie wohnen, bespaßt. Das Konzept des Seehauses ist christlich orientiert und sieht vor, dass die Jugendlichen Teil des Alltags sind. Beispielsweise wird gemeinsam gefrühstückt.
"Einer der vier Strafgefangenen kommt und zieht der Einjährigen am Schnuller. Sie lacht."
Der Tag am Seehaus geht früh los. Um 5.45 Uhr steht für die Jugendlichen Laufen auf dem Plan. Begleitet werden sie von einem Sozialarbeiter. Nach einer Dusche sitzen sie auf einem braunen Ecksofa und lesen. Jeden Morgen eine halbe Stunde. Die Buchtitel dieser Leserunde lauten etwa "Die Bibel", "Das Tagebuch der Anne Frank" oder "Shannon - ein wilderes Leben". Im Anschluss gibt es einen Morgenkreis, zu dem niemand zu spät kommen möchte. Das Verhalten der Gefangenen sowie ihre Pünktlichkeit werden jeden Tag bewertet.
Ziel dieses Konzepts des gemeinnützigen, christlich orientierten Trägers ist es, dass "jugendliche Straftäter außerhalb von Justizvollzugsanstalten einen strukturierten Alltag mit klaren Regeln und in gegenseitigem Respekt erfahren sollen." Es gibt viele Regeln im Seehaus Störmthal; Beispielsweise, dass am Tisch nicht mit vollem Mund gesprochen wird.
Das Seehaus als Alternative zum Strafvollzug
Die Hoffnung ist, dass kriminelle Karrieren von Jugendlichen frühzeitig unterbrochen werden. Betont wird dabei immer wieder, dass der Aufenthalt in diesem Seehaus kein Urlaub ist. Im Gegenteil. Der Träger bittet uns Journalisten ausdrücklich darum, auf Polarisierungen wie etwa "Knast = schlecht, oder Seehaus = gut" zu verzichten und favorisiert die Sprachregelung: "Wir sind anders, nicht besser."
Die Eltern in diesem Seehaus - Steffi und Franz - wollen den Jugendlichen Halt geben und Strukturen vorleben. Die wenigsten der Gefangenen sind mit Mutter und Vater aufgewachsen. Bedenken, dass ihre Kinder mit Straftätern aufwachsen, haben sie nicht.
"Ganz praktisch haben wir ganz viele Menschen, die unsere Kinder mitbespaßen und bespielen können, was uns wiederum ein ganzes Stück entlastet."
Richard ist einer der Gefangenen. Er ist 18 Jahre alt und hat vor einem Jahr versucht, eine Asylunterkunft anzuzünden. Von der rechtsextremen Ideologie hat er sich inzwischen abgewandt und zum christlichen Glauben gefunden. Den Alltag im Seehaus mit seinem straffen Tagesplan bewertet er als hart aber lohnenswert.
"Klar ist es anstrengend. Frühsport, 5.45 aufstehen... Aber es lohnt sich, ein ganz anderes Gefühl, viel familiärer, viel mehr Zusammenhalt als im Knast."
Wer diese Alternative zum Strafvollzug in Anspruch nehmen will, muss sich bewerben. Bis zu sieben Straftäter leben in einer Familie. Derzeit wird das Modell durch ein weiteres Haus erweitert, um noch mehr Jugendlichen diese Möglichkeit zu geben.
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