Seit zehn Jahren herrscht Bürgerkrieg in Syrien. Der Konflikt ist längst kein regionaler mehr, verschiedene Staaten haben in diesen zehn Jahren militärisch in Syrien eingegriffen. Welche Regeln das Völkerrecht für eine Intervention vorsieht, erklärt Völkerrechtlerin Paulina Starski.
Das Völkerrecht verbietet Gewalt zwischen Staaten – allerdings nicht ohne Ausnahme. Militärisches Eingreifen ist völkerrechtlich legal, wenn die Regierung des Staates der Intervention zustimmt. Außerdem kann der UN-Sicherheitsrat militärisches Eingreifen autorisieren.
Krieg zur Selbstverteidigung
Außerdem dürfen sich Staaten verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Dieses Selbstverteidigungsrecht wird allerdings mittlerweile ziemlich gedehnt, weil Staaten versuchen, ihre militärischen Interventionen dadurch zu legitimieren, erklärt Paulina Starski in ihrem Vortrag. Sie ist Völkerrechtlerin an der Uni Graz.
"Wenn ein Völkermord vonstatten geht, wenn wir ethnische Säuberungen haben beispielsweise, in solchen Situationen muss etwas getan werden. Und wenn es der Staat nicht tut, dann muss es die internationale Gemeinschaft tun."
Anhand der Interventionen in Libyen und Syrien zeigt Paulina Starski, wie Staaten ihre Militäraktionen völkerrechtlich begründen. Doch das Völkerrecht hat auch Grenzen. So sei das Regelwerk noch sehr stark von der Idee geprägt, dass Gewalt primär von Staaten ausgeht, erklärt die Völkerrechtlerin. Für nicht staatliche Akteure, wie etwa den sogenannten "Islamischen Staat", gäbe es keine Handhabe.
"Im globalen Süden wird das Konzept der humanitären Hilfe als die Fortsetzung der Kolonialherrschaft gesehen, unter anderen Vorzeichen, aber strukturell sehr ähnlich."
Auch stellt sich die Frage, was passiert, wenn das Völkerrecht bei ethnischen Säuberungen oder einem Völkermord keine legale Interventionsmöglichkeit bietet. Hier würden sich Staaten auf ihre "responsibility to protect" berufen, um humanitäre Interventionen zu rechtfertigen, sagt Paulina Starski.
Schwierig sei hier, dass eine humanitäre Intervention auch missbraucht werden könne, da Staaten, die eingreifen, immer sagen würden: "Wir intervenieren, um die Bevölkerung zu schützen."
"Die große Frage ist dann: Ist es tatsächlich so, dass Gewalt zum Frieden führen kann? Und in welchen Konstellationen ist das der Fall?"
Zudem sei "Humanitäre Intervention" als Konzept stark kolonial vorbelastet, erklärt Paulina Starski. Im globalen Süden werde das Konzept der humanitären Hilfe daher als die Fortsetzung der Kolonialherrschaft unter anderen Vorzeichen gesehen.
Der Vortrag:
Der Vortrag von Paulina Starski heißt "Syria, Libya and beyond - Militärische Interventionen und Völkerrecht". Paulina Starski hat ihn am 11. Februar 2021 im Rahmen der Reihe VHS Wissen live der Volkshochschule im Landkreis Erding und der Volkshochschule SüdOst im Landkreis München gehalten.