Entführte Tanker, Schuldzuweisungen - am persischen Golf stehen die Zeichen auf Eskalation. Mittendrin: Twitter. Das soziale Netzwerk gilt im Konflikt als wichtige Plattform. Am Samstag (20.07.2019) hatte Twitter die Accounts diverser iranischer Nachrichtenagenturen und Sender gesperrt.
Betroffen von der Accountsperre waren unter anderem die staatliche Nachrichtenagentur IRNA, sowie der staatliche Sender IRIB. Das sorgte für heftige Spekulationen und die Frage, ob sich Twitter in den Konflikt zwischen Iran und den USA einmischt. Die Erklärung von Twitter ist allerdings eine völlig andere. Dort heißt es, die Medien hätten über ihre Accounts koordiniert und gezielt zur Verfolgung der Bahai aufgerufen. Die Bahai sind im Iran mit etwa 300.000 Anhängern die größte religiöse Minderheit und dort starker Verfolgung ausgesetzt. IRNA und IRIB hingegen spekulieren, sie seien von Twitter wegen ihrer Berichterstattung über die Festsetzung eines britischen Tankers in der Straße von Hormus gesperrt worden.
Aus der Sicht von Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter Michael Gessat ist es unwahrscheinlich, dass Twitter auf direkte politische Anweisung handelt oder eine politische Agenda hat. Was er sich allerdings sehr gut vorstellen kann, dass jemand gezielt eine Beschwerde bei Twitter gestellt hat. Wenn tatsächlich ein Verstoß gegen die Twitter-Richtlinien vorliegt, dann reagiere Twitter in der Regel recht schnell.
Twitter: Gesperrt und trotzdem wichtig
In der Regel verhängt Twitter bei Verstößen zunächst eine vorübergehende Sperre. Auf Medienanfrage hat das soziale Netzwerk geantwortet, man untersuche den Fall zunächst weiter. Grundsätzlich ist das eine heikle Abwägung für Unternehmen. Denn bei Akteuren von übergeordneter politischer Wichtigkeit duldet Twitter deutlich mehr als bei normalen Userinnen und Usern. Im Falle einer staatlichen Nachrichtenagentur oder eines staatlichen Senders handelt es sich ebenfalls um einen Kanal, der großes öffentliches Interesse genießt. Paradoxerweise ist Twitter im Iran eigentlich sogar verboten. Aber viele Nutzerinnen und Nutzer umgehen die Sperre mit Hilfe von VPNs.
Getwittert wird nicht nur in der Landessprache Farsi, sondern auch in vielen anderen Sprachen des arabischen Raums, wo das Netzwerk sehr beliebt ist. Es ist aber eben auch ein Platz im Kampf um die politische Deutungshoheit. Das zeigt eine Analyse, die der Sender Al Jazeera gemacht hat. Zusammen mit Experten sind darin 2,3 Millionen Tweets von 2400 Accounts aus verschiedenen Ländern rund um den persischen Golf untersucht worden. Dabei wurden - schreibt Al Jazeera - ganze Armeen von Bots identifiziert. Gemeint sind damit Accounts, die automatisiert Meldungen, Meinungen oder Propaganda verbreiten.
Wer dahinter steckt, lässt sich kaum sagen. Es könnten staatliche Akteure sein, aber genau so gut auch private. Fest steht laut Analyse, dass alle Beteiligten in dem politischen Konflikt beteiligt sind, also auch Saudi-Arabien oder Katar. Aber durch die massenhafte Nutzung von Bots sei Twitter regelrecht verseucht, schreibt Al Jazeera.