Emelie Sophie sucht schon lange nach einer Psychotherapie – bisher erfolglos. Warum gibt es überhaupt so wenige Therapieplätze? Und wie lässt sich die Wartezeit überbrücken? Eine Therapeutin hat Tipps.
Emelie Sophie fühlt sich hilflos. Seit zweieinhalb Jahren sucht sie einen Platz für eine Psychotherapie. Bisher erfolglos: "Man hat das Gefühl, man schreit die ganze Zeit nach Hilfe. Und man möchte das verarbeiten und an sich arbeiten. Und es klappt nicht, weil niemand einem hilft."
Sie sucht eine Verhaltenstherapie, "damit ich besser mit meinem Emotionen umgehen kann und andere Verhaltensweise lerne, um mit den Symptomen meiner Diagnosen umzugehen." Mittlerweile fühle sie sich in ihrer Suche schon oft wie in einem Bewerbungsgespräch: "Ich möchte gut rüberkommen, gut vorbereitet sein, wenn ich anrufe."
Manchmal denkt Emelie Sophie, sie braucht doch keine Therapie
Seit einem Jahr sucht sie wieder intensiv nach einem Therapieplatz. Zwischendurch war Emelie Sophie zwei Mal in einer Klinik. Beim zweiten Mal aber nur, weil sie keine ambulante Therapie gefunden hat. Aktuell läuft ihre Suche schleppend: "Ich bin da gerade wieder in einem Loch. Ich schaffe es gerade gar nicht, irgendwo anzurufen." Sie steht auf zwei Wartelisten, das gibt ihr zumindest ein bisschen Hoffnung.
Was für Emelie Sophie zusätzlich schwierig ist: Ihre Krankheit lässt sie immer wieder glauben, dass sie keine Therapie verdient hat oder gar keine braucht. Das ginge auch vielen anderen Betroffenen so, glaubt sie. "Teilweise fängt man dann mit der Suche wieder von vorne an", sagt sie.
"Es kostet auch einfach so viel Kraft, da ständig und immer wieder anzurufen."
Emelie Sophie führt eine Liste, wo sie aufschreibt, wen sie angerufen hat und wo sie eventuell auf einer Warteliste steht. Viele Therapeutinnen und Therapeuten sagen ihr auch, sie könne sich in ein paar Wochen oder Monaten wieder melden. Viele empfehlen ihr auch, in eine Klinik zu gehen.
"Es kostet auch einfach so viel Kraft, da ständig und immer wieder anzurufen", erzählt Emelie Sophie. "Und es tut auch nicht gut, ständig Absagen zu bekommen, das zieht einen runter. Durch Absagen bekommt man das Gefühl, dass man das nicht wert ist oder verdient hat."
Online-Kurse können helfen
Emelie Sophie weiß, was sie braucht, und kennt sich mit der Suche – leider – schon ziemlich gut aus. Aber was, wenn man noch nicht so weit ist? Juliane von Hagen ist Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. Sie arbeitet für Hello Better, einen Anbieter für psychologische Online-Kurse, die auch von der Krankenkasse übernommen werden.
Sie erklärt: In Deutschland werden vier Therapieformen von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen:
- Verhaltenstherapie
- Analytische Psychotherapie
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Systemische Therapie
Doch es gibt nicht nur ambulante Therapien. Immer häufiger werden Online-Therapie-Programme angeboten. Die können helfen, Wartezeiten zu überbrücken. "Einige verlieren vielleicht auch die Hemmung vorn einer Psychotherapie, weil man schon mal erste Berührungspunkte hatte", sagt Juliane von Hagen.
Erstgespräch, aber keine dauerhafte Therapie
Dass es keine Wartezeiten gibt, ist besonders vorteilhaft. Denn für die Therapieplatzsuche braucht es viel Geduld. Eigentlich soll dagegen auch der Patientenservice helfen, den man unter der Telefonnummer 116117 erreichen kann.
Emelie Sophie nutzt diesen Service immer wieder. Sie bekommt auch Erstgespräche vermittelt, aber am Ende müssen ihr die Therapeutinnen und Therapeuten eben oft sagen, dass sie keinen dauerhaften Platz anbieten können. "Das ist sehr frustrierend", sagt sie.

Es gibt auch die Möglichkeit, eine private Psychotherapie zu machen und sich diese Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse erstatten zu lassen (mehr dazu hier). Doch dieses Kostenerstattungsverfahren ist leider kompliziert und bürokratisch. Emelie Sophie zögert damit, weil sie eine Langzeittherapie sucht und ihr nicht zugesichert werden könne, dass diese dann auch erstattet wird.
Tipps zur Suche nach einem Therapieplatz
Die Probleme mit der Kostenerstattung kennt auch Rammiya Gottschalk. Die Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie erzählt in dieser Folge, wie genau das abläuft und was es so bürokratisch macht. Se hat ein paar Tipps, um psychologische Hilfe zu erhalten.
Ihr erster Tipp ist: Sich an die 116117 zu wenden. Denn in einem Erstgespräch kann bereits eine Verdachtsdiagnose gestellt werden, außerdem kann man eine Therapieempfehlung erhalten. Ein weiterer Ratschlag von ihr: Den Hausarzt oder die Hausärztin anzusprechen. "Der Hausarzt kann erstmal supportive Gespräche führen. Und er kann eine digitale Gesundheitsanwendung verschreiben."
Das alles kann leider dauern - mit diesen Gesundheits-Apps könnt ihr aber schon mal Tipps zur Selbsthilfe und Informationen über Therapieformen bekommen und so Wartezeiten überbrücken.
Sozialverbände können helfen
Ein weiterer Tipp von Rammiya Gottschalk bei einer langen Therapieplatzsuche: Sozialverbände wie die Caritas oder Diakonie zu kontaktieren. "Sie können helfen, Anschluss zu einer Selbsthilfegruppe zu finden", sagt sie.
"Wir brauchen mehr Kassensitze, damit mehr Therapeuten eine Psychotherapie anbieten können."
All das löst jedoch das grundsätzliche Problem nicht, sagt die Psychotherapeutin. Als Therapeutin fühle sie sich selbst oft ohnmächtig und hilflos. Sie hat deshalb eine Online-Petition ins Leben gerufen, damit mehr Kassensitze für Therapeutinnen und Therapeuten geschaffen werden. Denn in Deutschland gebe es zu wenige Kassensitze. Therapeuten können Leistungen nur mit einer Krankenkasse abrechnen, wenn sie einen solchen Kassensitz haben.
Die Bedarfsplanung, die festlegt, wo sich wie viele Therapeut*innen niederlassen, stammt noch aus dem Jahr 1999. "Wir brauchen mehr Kassensitze, damit mehr Therapeuten eine Psychotherapie anbieten können", stellt Rammiya Gottschalk klar. Das sei eine Aufgabe der Politik.
Niedrigschwellige Angebote
Emelie Sophie hat gerade nicht viel Hoffnung, bald einen Therapieplatz zu finden. Sie überlegt, noch einmal in die Tagesklinik zu gehen, und zieht einen kurzen stationären Aufenthalt in Betracht. Das Wichtige dennoch: Niemand muss alleine sein mit der Therapieplatzsuche. Und es gibt darüber hinaus viele niedrigschwellige Angebote, die helfen.
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