Olaf Scholz stellt die Vertrauensfrage und "Nein" ist die Antwort, die der Bundeskanzler hören wollte. Damit ist der Weg für Neuwahlen frei. Was das für Abgeordnete wie Emily Vontz bedeutet und warum sie nicht mehr für den Bundestag kandidiert.
207 Stimmen für Olaf Scholz, 394 Stimmen gegen ihn – damit hat mehr als die Hälfte des Bundestages Bundeskanzler Olaf Scholz das Vertrauen abgesprochen. Der Weg für Neuwahlen ist somit frei. "Es ist ein bisschen absurd, dass sich ein Kanzler hinstellt und sagt, gebt mir das Vertrauen nicht", sagt unsere Hauptstadtkorrespondentin Katharina Hamberger, doch Olaf Scholz ist nicht der erste Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik, der diesen Weg geht.
Abstimmung im Bundestag - Unechte Vertrauensfrage
Der Bundestag kann nur in zwei Fällen aufgelöst werden: Wenn nach einer Wahl kein Kanzler gewählt wird, weil es keine Mehrheiten gibt, oder durch die Vertrauensfrage. Stellt der Kanzler sie, um Neuwahlen zu erreichen, spricht man von einer unechten Vertrauensfrage, wie es hier der Fall ist, so Katharina.
"Wenn ein Kanzler, eine Kanzlerin die Vertrauensfrage stellt mit dem Ziel, dass es Neuwahlen geben soll, nennt man das eine unechte Vertrauensfrage. Mit der haben es hier zu tun."
Nach der verlorenen Vertrauensfrage hat Bundespräsident Steinmeier 21 Tage Zeit, über die Auflösung des Bundestags zu entscheiden. Erfolgt die Auflösung, muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden. Bis dahin bleiben Bundestag und Bundesregierung geschäftsfähig im Amt.
Emily Vontz ist 24 Jahre alt und derzeit die jüngste Bundestagsabgeordnete für die SPD. Vor zwei Jahren Emily ist sie für Heiko Maas nachgerückt. Die Vertrauensfrage ermögliche nun ein geordnetes Verfahren und biete vielen Menschen Orientierung nach dem entstandenen Chaos, sagt sie.
"Viele Gesetze und Themen sind jetzt einfach abrupt geendet. Das tut dann schon ein bisschen weh."
Für Emily bedeutet die verlorene Vertrauensfrage allerdings auch das Ende der eigenen, kurzen Amtszeit und eine große Veränderung in ihrem Leben, sagt sie. Nach dem Aus der Ampel sei sie schon etwas traurig gewesen. Nach zwei Jahren im Amt habe sie die Abläufe im Bundestag genauer verstanden, zum anderen seien viele ihrer politischen Vorhaben abrupt geendet.
Das Hochbau-Statistikgesetz, das neu regeln sollte, wann und wo in Deutschland gebaut wird, habe sie persönlich verhandelt. Das Gesetz sei im Vermittlungsausschuss gelandet, der nun nicht mehr tagt. "Das tut dann schon ein bisschen weh", sagt sie.
Emily Vontz – Master statt Bundestag
Erneut für den Bundestag kandidieren möchte sie nicht. Die Entscheidung sei schwergefallen, doch sie habe eine gute Zeit gehabt und ihre Perspektive als junge Frau eingebracht. Erst kürzlich hat sie Bachelorstudium abgeschlossen, da sie noch einen Master anstrebt, sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um als Abgeordnete weiterzumachen, sagt sie. Emily schätze die Freiheit, später mit einer beruflichen Alternative politische Verantwortung übernehmen zu können.
Das Chaos der Ampelregierung habe mit der Entscheidung weniger zu tun gehabt. Auch wenn die Zeit im Bundestag zuletzt schwierig gewesen sei, da ständig Geld fehlte. Häufig habe sie schlechte Nachrichten überbringen müssen. Die Frustration in Gesellschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sei groß und die Stimmung gegenüber der Politik rauer geworden, sagt Emily. Dennoch sei dies nicht der Grund für ihren Abschied, sondern persönliche Zukunftspläne. Sie hoffe und vertraue auf die gute Arbeit anderer junger Abgeordnete.
Neuwahl – Sorgen um Jobs im Bundestag
Bei der Neuwahl gehe es auch um Jobs in den Fraktionen – teils wegen des verkleinerten Bundestags, innerhalb der SPD, teils wegen der schlechten Umfragen. Positiv sei, dass kaum jemand unter ihren Kolleginnen und Kollegen egoistisch denke, denn so sei der Beruf.
"Viele Jobs von Mitarbeitenden im Hintergrund hängen an den Mandaten. Das ist viel krasser, denn für sie ist das auch eine unsichere Zukunft."
Neues Wahlrecht – Bundestag wird kleiner
Wesentlich schlimmer sei die unsichere Zukunft der Mitarbeitenden im Hintergrund, deren Jobs an die Mandate geknüpft sind, sagt Emily. Nach dem neuen Wahlrecht soll es nur noch 633 statt bisher 733 Abgeordnete geben. Der verkürzte Zeitrahmen durch die Neuwahl verschärfe ihre Lage nun zusätzlich.
Abgeordnete bestimmen selbst, wie viele Mitarbeitende sie beschäftigen. Sie alle sind mit befristeten Verträgen für die Legislaturperiode eingestellt und müssen sich nun arbeitslos melden.
Besonders unsicher ist die Situation für Abgeordnete der Linken und FDP, deren Parteien möglicherweise nicht wieder in den Bundestag einziehen, sagt unsere Hauptstadtkorrespondentin. Rund ein Drittel der Beschäftigten im Bundestag müssen sich daher nach neuen Jobs umsehen oder hoffen, bei einem Wiedereinzug wieder eingestellt zu werden.
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