Janis ist etwas passiert, womit er nie gerechnet hätte: Er wurde von seiner Mitbewohnerin mit Mietschulden sitzengelassen. Psychologin Rebecca Schild erklärt, was es mit uns macht, wenn Menschen, denen wir vertraut haben, uns enttäuschen.
Es war von Anfang an eine Zweck-WG. Janis und seine damalige Mitbewohnerin trafen sich zum Quatschen in der Küche, kochten auch mal zusammen. Er studierte, sie war berufstätig. Es lief problemlos, erzählt Janis. Bis seine damalige Mitbewohnerin länger im Krankenhaus war. Nach ihrer Rückkehr bezog sie "Leistungen", so formuliert es Janis, und beschwerte sich plötzlich über den Zustand der Wohnung, die, das bestätigt Janis, nach jahrelangen WG-Zeiten ziemlich abgerockt war.
Vertrauen als Basis für zwischenmenschliche Beziehungen
Dann verkündete die Mitbewohnerin, Janis und sie könnten die Mietzahlungen aussetzen. Das habe sie so mit dem Vermieter aufgrund der Mängel in der Wohnung vereinbart. Janis prüfte die Aussage nicht gegen, wurde auch nicht hellhörig, sondern stellte seine Mietzahlung – die beiden teilten sich die Miete zur Hälfte – ein. Im Nachhinein, sagt er, sei das ziemlich naiv gewesen.
"Eine Zeit lang war einfach nur wütend und hatte keine Lust auf Menschen."
Nach einiger Zeit zog die Mitbewohnerin aus und der Vermieter meldete sich mit einer Zahlungsaufforderung. Das war der Zeitpunkt, an dem Janis seinen Vermieter kontaktierte. Die Erzählung der Mitbewohnerin stellte sich als falsch heraus. So oder so standen nun Zahlungen aus. Janis erzählt, er habe seinen Anteil bezahlt, die Mitbewohnerin nicht. Die Post vom Anwalt, den Janis inzwischen eingeschaltet hatte, konnte ihr nicht zugestellt werden.
Janis muss Schulden abbezahlen
Die Konsequenzen für Janis waren hart: Er muss rechtlich gesehen bis auf Weiteres nicht nur die Schulden zurückzahlen, er musste auch aus der Wohnung aus- und bei seiner Mutter einziehen. Trotzdem habe er den Glauben an die Menschen nicht verloren, sagt er. Denn als er am Tiefpunkt war, seien seine Freunde für ihn da gewesen. Zwar halfen sie nicht finanziell, aber sie packten mit an, als es darum ging, aus der Wohnung auszuziehen.
"Ich würde immer noch sagen, dass man Menschen größtenteils absolut vertrauen kann."
Dass wir, nachdem unser Vertrauen missbraucht worden ist, skeptisch und verunsichert sind, sei ganz normal, sagt Rebecca Schild. Sie ist Psychologin und hat sich auf Freundschaften und zwischenmenschliche Beziehungen spezialisiert.
"Natürlich wirken sich frühere negative Beziehungserfahrungen auf neue Beziehungen aus. Es ist nur die Frage, wie wir damit umgehen."
Ganz allgemein gesprochen, sagt Rebecca Schild, kommt es zu einem Vertrauensbruch, wenn gemeinsam definierte Grenzen und Werte innerhalb einer Beziehung von einer Person nicht eingehalten oder ignoriert werden. Klassisches Beispiel sei, wenn sich ein monogam lebendes Paar auf Treue geeinigt hat, der eine oder die andere sich daran aber nicht hält.
Enttäuschungen als Teil zwischenmenschlicher Beziehungen
Oft gehe es aber auch um Dinge, die nicht so klar seien, sagt Rebecca Schild. Das sei vor allem in Freundschaften der Fall. Denn hier sprechen wir unsere Werte und Grenzen oft nicht ab, sondern stellen erst im Nachhinein fest, dass der oder die andere sie nicht eingehalten hat und fühlen uns enttäuscht und hintergangen.
"Wenn wir in Beziehung mit Menschen sein wollen, können wir nicht anders als lernen, in einem gewissen Maße mit Vertrauensbrüchen umzugehen."
Es gebe durchaus Vertrauensbrüche, nach denen wir keine Beziehung mehr zu der jeweiligen Person haben wollen, sagt Rebecca Schild. Und das sei völlig in Ordnung. Der Psychologin ist es aber auch wichtig zu betonen, dass eine Beziehung durch eine Krise dazugewinnen, stärker werden kann, auch weil beide dann wissen, was ihnen aneinander wichtig ist und wie der oder die andere tickt.
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- Janis erzählt über seine ehemalige Mitbewohnerin, die keine Miete mehr gezahlt hat
- Rebecca Schild, Psychologin, die sich auf Freundschaften und zwischenmenschliche Beziehungen spezialisiert