Andere um Hilfe bitten, fällt manchen Menschen schwer - wie Carfree. Umzugshilfe lässt sie sich praktisch aufzwingen. Das kann daran liegen, was uns vorgelebt wurde, erklärt die Psychologin Amanda Nentwig-Utzig. Hilfe anzunehmen, können wir üben.
Anfang des Jahres ist Carfree umgezogen. Sie hätte das auch alleine gestemmt, denn ihren Freundinnen und Freunden möchte sie keine Zeit rauben und ihnen körperliche Anstrengungen zumuten, sagt sie. Unterstützung hat sie schließlich trotzdem bekommen, aber nur, weil ihre beste Freundin und ein paar andere Menschen von sich aus geholfen hätten.
"Ich denke immer, dass ich alles selbst schaffe. Ich will den Leuten nicht so viel Zeit rauben und ein Umzug ist körperlich anstrengend. Das will ich ihnen einfach nicht zumuten."
Dinge alleine zu regeln, habe den Vorteil, die vollständige Kontrolle über Abläufe und Planung zu behalten. Wenn dann etwas nicht funktioniere, dann ärgert Carfree sich höchstens über ihre eigene Person, sagt sie.
Anderen Menschen helfen, ist kein Problem
Zuletzt aktiv um Hilfe gefragt hat Carfree bei Steuerfragen. Bevor es dazu gekommen sei, habe sie wie immer versucht, alles alleine zu regeln, sich dann aber eine Steuerberaterin gesucht. "Wenn ich weiß, dass ich das wirklich nicht hinbekomme, dann suche ich mir auch die Hilfe", sagt sie.
Im umgekehrten Fall sei Carfree aber sofort zur Stelle, wenn andere Menschen in ihrem umfeld Hilfe bräuchten. "Wenn ich es schon nicht mag, nach Hilfe zu fragen, dann wird es der anderen Person vielleicht auch nicht so leicht fallen, mich nach Hilfe zu fragen", sagt Carfree.
Hilfe annehmen – auch eine Frage der Gesundheit
Wie leicht oder schwer es uns fällt, andere Menschen um Hilfe zu bitten, hängt zum Beispiel davon ab, wie es uns als Kind vorgelebt wurde, sagt die Psychologin Amanda Nentwig-Utzig. Selbständigkeit und Unabhängigkeit sei dabei etwas, dass vor allem in westlich geprägten Gesellschaften ein Stück weit gefordert werde.
"Was in unserer westlich geprägten Gesellschaft häufig zum Tragen kommt, dass sie auf Individualität und Selbständigkeit bedacht ist."
Überarbeitet oder ausgebrannt – keine Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann unter Umständen zu ernsthaften Problemen führen. Hierbei sei es wichtig, an der eigenen Einstellung zu arbeiten und zu lernen, Angst und Schamgefühle zu überwinden. Dies sei ein Prozess, der aber von Mal zu Mal leichter fällt, sagt die Psychologin.
Auch wenn wir mal ein Nein kassieren würden, "alleine macht man es dann ja so oder so", sagt Amanda Nentwig-Utzig. Außerdem seien die Gründe einer Absage oft pragmatisch. Wenn uns jemand nicht helfen kann, sollten wir das nicht sofort als persönliche Zurückweisung werten.
Hilfe erfordert keine sofortige Gegenleistung
Erhalten wir Hilfe von außen, sollten wir uns nicht unter Druck setzen, sofort eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Gerade in Freundschaften wäre das falsch. Wichtiger sei, dass wir generell bereit sind, "Freunden und Freundinnen auf eine Art zu helfen, wie man eben helfen kann", sagt Amanda Nentwig-Utzig. So wie wir uns darüber freuen, dass andere unsere Hilfe annehmen, könne es auch motivieren, selbst Hilfe anzunehmen. Anderen Menschen machen wir damit oft auch eine kleine Freude.
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- Carfree mag es nicht, um Hilfe zu bitten
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