Wenn sich die Familie an den Feiertagen trifft, dann prallen auch mal Meinungen aufeinander. Bei Verschwörungserzählungen, sei es wichtig, frühzeitig dagegenzuhalten, sagt die Autorin Katharina Nocun. Doch es gilt auch eine rote Linie zu ziehen, wenn nötig und zu erkennen, wo eine Grenze überschritten wird.
Gerade in Gruppensituationen sei es extrem wichtig, möglichst früh gegenzuhalten. Das gelte nicht nur für Verschwörungserzählungen, sondern vor allem auch bei Antisemitismus und Rassismus. Schweigen führe zur Normalisierung und könne auch schnell als Zustimmung fehlinterpretiert werden, sagt Katharina Nocun. Sie hat gemeinsam mit Pia Lamberty das Buch "True Facts – Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft" geschrieben. Da könnten Sätze sein wie "ich glaube das nicht", "ich halte das nicht für war", oder "es gibt hier Faktenchecks dazu, die das widerlegt haben".
"Gerade in Gruppensituationen ist es aus meiner Sicht extrem wichtig, möglichst frühzeitig etwas zu sagen, weil Schweigen eben oftmals auch als Zustimmung fehlinterpretiert wird."
Letztlich gehe es nicht darum, das Familienmitglied, das die Mythen verbreitet, vom Gegenteil zu überzeugen. Wichtiger sei, dass der Funke nicht auf andere Menschen überspringe und sich die Ansichten in der Familie verbreiten.
Aufklärung – ein mühsamer Prozess
Uns sollte bewusst sein, dass die Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählungen keine Sache ist, die mal eben so bei einem Weihnachtsessen geklärt werden kann. Mit Fakten gegenargumentieren sein zwar richtig und wichtig, aber der Ansatz habe auch Grenzen, sagt Katharina Nocun. Je tiefer sich Leute in so einem Konstrukt verfangen haben, umso mühsamer der Prozess, sie da wieder herauszuholen.
Katharina Nocun rät dazu, die Lage erst mal zu sondieren und sich ein realistischeres Ziel in der Überzeugungsarbeit zu setzten. Manchmal reiche da schon ein guter Impuls – ein interessanter Fakt, eine gute Studie oder eine geschickte Frage zum Beispiel. Damit besteht die Chance, dass wir zumindest ein Saatkorn beim Gegenüber pflanzen, das mit etwas Glück wachse.
"Besser ist es, sich da ein realistisches Ziel zu setzen. Das heißt, gar nicht so sehr zu denken, ich muss das jetzt gewinnen, sondern zu denken, kann ich einen guten Impuls setzen?"
Von stundenlangen, ausufernden Diskussionen oder zu sehr ins Detail zu gehen, davon rät Katharina ab. Die Situationen, in denen Menschen zugeben sich zu irren und auf dem Holzweg zu sein, seien eher das Vieraugengespräch. Das sollten wir auch suchen, wenn wir wirklich jemanden überzeugen möchten – und dabei dann vor allem unaufgeregt und sachlich bleiben.
Gerade im Zweier-Gespräch können wir gut mit Fragen arbeiten, sagt Katharina. Und da sollten wir auch mal so etwas sagen wie: "Du überzeugst mich nicht." Was auch immer gut funktioniere, sei zu fragen, was jemandem von Gegenteil seiner Ansicht überzeugen würde, sagt Katharina Nocun.
"Gerade im Vier-Augen-Gespräch kann man sehr gut mit Fragen arbeiten. Und eine super Frage ist es auch: 'Was würde dich eigentlich vom Gegenteil überzeugen?"
Anhängerinnen und Anghänger von Verschwörungserzählungen hätten oftmals von sich selbst die Auffassung, sehr unvoreingenommen und offen zu sein. Das festgefahrene Weltbild haben aus ihrer Sicht andere. Wenn Menschen dann glauben, dass es eine große Verschwörung gibt, in der Medien, Politik und Wissenschaft drinstecken, dann werde es schwierig bis unmöglich, auf der Faktenebene durchzudringen.
Es gibt eine rote Linie
Das kann dazu führen, dass wir an einen Punkt kommen, an dem ein weiteres Gespräch auf rationaler Ebene keinen Sinn mehr ergibt und wir eine rote Linie ziehen müssen. Hier sollten wir die Beziehung zu dieser Person hinterfragen, ob sie den Wert hat, all die Energie hereinzustecken.
Gerade bei engen Familienmenschen sollten wir natürlich versuchen, die Verbindung auf emotionaler Ebene so lange zu halten wie es geht, sagt die Autorin. Bei Beleidigungen und Beschimpfungen aber werde eine Grenze überschritten. Auch, wenn jemand einen unerbittlichen Belehrungs-Druck anderen gegenüber hat. Und ganz sicher, wenn Kinder involviert sind, bei denen Verschwörungserzählungen große Ängste auslösen können.
"Es überschreitet eine Grenze, wenn Kinder involviert sind. Weil gerade Verschwörungserzählungen auch bei Kindern große Ängste auslösen können."
Liegt uns eine Person sehr am Herzen, dann sollten wir das auch ruhig mal aussprechen und uns vielleicht darauf einigen, das Thema ruhen zu lassen. Verschwörungserzählungen würden auf psychologischer Ebene oftmals Bedürfnisse befriedigen, die wir alle haben, sagt Katharina Nocun. Sie geben Menschen das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Selbstaufwertung: "Ich habe den Durchblick und alle anderen, die lassen sich einlullen", sagt die Autorin.
Die Frage sei, wie wir solche Bedürfnisse auf eine gesunde Art und Weise befriedigen können. Das könne heißen, sich privat mehr mit dem Menschen zu beschäftigen und so nach Alternativen zu suchen. Das sei ein sehr aufwendiger Prozess, der nicht immer funktioniere. Es sei daher auch nachvollziehbar, wenn Leute den Kontakt dann abbrechen.