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Der Fall hat Frankreich schockiert: Gisèle Pelicot wurde von ihrem Mann betäubt und zur Vergewaltigung angeboten. Jetzt ist das Urteil da. Aber was hat der Prozess in Frankreich bewirkt? Wir sprechen mit einer französischen Abgeordneten.

Im Vergewaltigungsprozess um Gisèle Pelicot ist der Hauptangeklagte zu 20 Jahren Haft verurteilt worden – die Höchststrafe. Eine Sicherheitsverwahrung wird nach zwei Dritteln der Strafe geprüft. Der Ex-Ehemann hatte seine damalige Ehefrau betäubt und anderen Männern über das Internet zur Vergewaltigung angeboten. Auch alle weiteren 50 Angeklagten wurden schuldig gesprochen mit milderen Strafen, was teils für Empörung gesorgt hat.

Vor dem Gerichtsgebäude in Avignon warteten, wie schon während des gesamten Prozesses, Journalisten und viele Unterstützende, die ihr zujubelten. Der Fall hat für weltweites Aufsehen gesorgt. Gisèle Pelicot hatte entschieden, den Prozess öffentlich zu machen. Alle sollten sehen, was ihr damaliger Mann auf etlichen Videos festgehalten hat.

Frankreich – Fall Pelicot setzt Debatte in Gang

Gisèle Pelicot ließ sich über zehn Jahre hinweg untersuchen, doch kein Arzt erkannte, dass ihr Mann sie unter Drogen setzte. Stattdessen wurde sie auf Alzheimer getestet. Experten betonen, Ärzte und Juristen müssten das Unvorstellbare denkbar machen, um solche Fälle zu erkennen. Nur so könne man sensibilisieren und Betäubungsmittelmissbrauch im engsten Umfeld besser beurteilen.

"Menschen, Ärzte und Juristen müssen das Unvorstellbare für vorstellbar halten, das Undenkbare für denkbar. Nur so, sagte mir eine Gynäkologin, könne man die Sinne schärfen"
Julia Borutta, Korrespondentin in Frankreich

Der Fall hat das Bewusstsein in Frankreich nochmals geschärft: Seit den MeToo-Fällen werden ab 2017 werden Übergriffe generell häufiger angezeigt oder diskutiert. Eine neue Plattform der Gesundheitsbehörde verzeichnet seit Oktober deutlich mehr Anrufe – von Betroffenen, die Drogenmissbrauch oder alte Vergewaltigungen melden, aber auch von Ärzten sowie Pharmazeuten, die sich fortbilden wollen, um solche Fälle besser zu erkennen.

Ikone eines neuen Bewusstseins

Das Gesicht dieses neuen Bewusstseins ist Gisèle Pelicot, die möglich gemacht hat, dass die ganzen Details auch im Gericht für alle hörbar waren. "Ich will, dass ihr wisst, dass wir den gleichen Kampf ausfechten", sagt sie zu anderen Betroffenen sexualisierter Gewalt.

"Ich will, dass ihr wisst, dass wir den gleichen Kampf ausfechten"
Gisèle Pelicot

Ihr Mut und ihre Standhaftigkeit beeindruckt. Sie öffnete ein Fenster für Frauen in Frankreich, lenkte Aufmerksamkeit auf sexualisierte Gewalt und sensibilisierte für deren Allgegenwärtigkeit, so unsere Korrespondentin. Ihr Ex-Mann konnte Männer für Vergewaltigungen im nahen Umkreis rekrutieren, was zeigt, dass solche Gefahren überall existieren.

Opferschutz - Neue Strukturen nötig

Sandrine Josso, französische Abgeordnete und Sprecherin der Organisation Mondo, setzt sich gegen chemische Unterwerfung ein. Dabei geht es um den Einsatz von K.o.-Tropfen oder Betäubungsmitteln für sexualisierte Gewalt. Ihre persönliche Erfahrung macht das Thema für sie besonders wichtig. "Ich selbst bin vor einem Jahr Opfer eines Senators geworden bin, der mit Drogen in meinen Drink getan hat", berichtet sie.

Es brauche mehr Aufklärung, besonders bei der Polizei, damit chemische Unterwerfung erkannt wird. Zudem seien Netzwerke nötig, um Beweise und Proben sicherzustellen und von Experten analysieren zu lassen. Oft fehle es Möglichkeiten und Wissen, wie bei Pelicot, die zehn Jahre fehldiagnostiziert wurde.

Gesundheitsbehörden müssen besser geschult werden, Opfern muss es erleichtert werden, Anzeigen zu erstatten, ihnen muss auch mehr Glauben geschenkt werden, meint Sandrine Josso.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Vergewaltigungsprozess
Wie der Fall Gisèle Pelicot Frankreich verändert
vom 19. Dezember 2024
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Julia Borutta, Korrespondentin in Frankreich
Gesprächspartnerin: 
Sandrine Josso, französische Abgeordnete