Überlebende des Holocaust sind geprägt von ihrer traumatisierenden Erfahrung. Das geben sie oft ungewollt an ihre Kinder weiter und die wiederum an ihre. Das Trauma kann also auch nach Generationen nachwirken.
Trauma von Holocaust-Überlebenden können sich auf viele verschiedene Arten äußern. Manche haben ihr Leben lang ein schlechtes Gewissen, weil sie überlebt haben, ihre Verwandten hingegen getötet wurden. Andere kommen nicht oder nur schwer über den Verlust ihrer Angehörigen hinweg.
Wieder andere - dieses Phänomen zeigt sich zum Beispiel in ultra-orthodoxen, jüdischen Gemeinschaften - werden besonders fromm, um nicht durch Unsittlichkeit erneut den Zorn ihres Gottes heraufzubeschwören. Dieses Phänomen beschreibt zum Beispiel die jüdische Autorin Deborah Feldman in ihren Büchern. Sie selbst wurde von ihren Großeltern, die den Holocaust überlebt hatten, aufgezogen.
"Einige Enkel sind sehr belastet davon. Gerade dann fangen einige an, sich politisch zu engagieren. Einige schreiben Bücher. Es ist auffällig, dass in den letzten Jahren sehr viele Bücher zu dem Thema erschienen sind."
Es kann sein, dass unsere (Ur-)Großeltern viel über die Zeit ihrer Verfolgung im Nationalsozialismus sprechen - oder auch gar nicht. Es kann sein, dass wir Narben an ihren Körpern entdecken. Oder dass einfach viele Verwandte bereits verstorben sind, weil sie getötet wurden.
Aber selbst, wenn unsere (Ur-)Großeltern uns nichts aus dieser Zeit erzählen, ist es möglich, dass sie zum Beispiel einen sehr vorsichtigen, von Ängsten geprägten Erziehungsstil, hatten. Der wiederum kann ihre Kinder und deren Kinder prägen, sagt Thorsten Fehlberg vom Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte.
Spät bemerken, dass man traumatische Erfahrungen gemacht hat
Nachkommen von NS-Verfolgten bemerken manchmal erst spät - zum Beispiel im Ruhestand -, dass die traumatischen Erfahrungen ihrer Vorfahren sie geprägt haben.
Thorsten Fehlberg hat diese Erfahrung gemacht. Menschen, die sich Hilfe suchend an seinen Verband wenden, vermittelt er Psychotherapeuten, die sich mit diesem Thema auskennen.
"Es kann nicht nur die Aufgabe der Nachkommen und der Belasteten, dass sie etwas tun. Sondern es ist im Grunde genommen eine Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft, dass sie anerkennen, dass diese Geschichte weiterwirkt. Das es nicht einfach zu Ende ist."
Es gibt aber auch Fälle, in denen Enkeln von Holocaust-Überlebenden sagen, dass die Traumatisierung ihrer Großeltern keinen prägenden Einfluss auf ihr Leben hatte, sagt Thorsten Fehlberg.
Abgesehen davon, ob wir Betroffene sind oder nicht, sieht Thorsten Fehlberg es als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit den Auswirkungen der NS-Zeit umzugehen. Er sagt, dass es nicht nur den Nachkommen von Verfolgten überlassen werden kann, die Schwierigkeiten zu bewältigen.
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