Seit Sonntag (21.07.2024) ist bekannt, dass sich Joe Biden aus dem US-Wahlkampf zurückzieht. Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson von der Uni Augsburg sagt, dass der Druck aus eigenen Reihen auf den amtierenden Präsidenten wohl groß war. Dass Kamala Harris an seine Stelle tritt, ist naheliegend, aber nicht sicher.
Britta Waldschmidt-Nelson, Expertin für den europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Uni Augsburg, erklärt im Gespräch mit Deutschlandfunk Nova, dass es klar war, dass es für Joe Biden nach zahlreichen Patzern im Wahlkampf nicht weitergeht.
"Ich glaube, dass es nach dem Debakel im öffentlichen Gespräch mit Trump absehbar war, dass es nicht mehr so lange weitergehen würde. Doch Joe Biden ist auch ein Vollblutpolitiker."
Dementsprechend schwer dürfte es dem 81-Jährigen – der seit mehr als 40 Jahren in der Politik aktiv ist – gefallen sein, seinen Rückzug aus dem Rennen publik zu machen. 2020 hatte Joe Biden Donald Trump nach einer Amtszeit als Präsident abgelöst und er sollte eine Art Übergangskandidat für die nächste Politikgeneration in der demokratischen Partei sein.
Einen neuen Kandidaten während Bidens Amtszeit zu etablieren, ist nicht gelungen. Das gilt auch für seine Vize, Kamala Harris. Wirklich punkten konnte sie in zurückliegenden Jahren in dem ihr von Biden zugeteilten Thema, der Einwanderungspolitik, nicht.
Dementsprechend schwer sei Biden der Rückzug gefallen, "da er davon ausgeht, dass er der Einzige ist, der Donald Trump schlagen könnte", meint Britta Waldschmidt-Nelson von der Uni Augsburg. Ausschlaggebend sei womöglich gewesen, dass ihm auch der demokratische Mehrheitsführer im Senat Chuck Schumer nahelegte, zurückzutreten. Auch weitere Prominente aus seiner Partei wie die Clintons oder Barack Obama appellierten an den aktuell mit Covid infizierten Biden, sich zurückzuziehen.
"Ich glaube, dass ihm mit Nancy Pelosi eine langjährige Verbündete den Rückzug nahelegte und auch Barack Obama zu diesem Schritt riet, waren die entscheidenden Push-Faktoren in diesem Vorgang."
Politiker zollen Joe Biden Respekt für seine Entscheidung
Weltweit zollen Politik*innen Joe Biden größten Respekt für seine Entscheidung. Forscherin Britta Waldschmidt-Nelson glaubt, dass die viele Menschen einfach der Meinung sind, dass Biden zu alt für das Amt des US-Präsidenten ist. Viele in der Politik aktive Menschen im In- und Ausland betonen, dass seine Regierungszeit eine sehr positive gewesen ist. Kurz nachdem der Präsident seine Entscheidung auf der Plattform X veröffentlichte, gab er eine Empfehlung für Vizepräsidentin Kamala Harris als seine mögliche Nachfolgerin ab.
Die Expertin für den europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Uni Augsburg räumt Kamala Harris gute Chancen für die Wahl ein und erklärt, "dass manche Aussagen über sie in deutschen Tageszeitungen nicht richtig waren".
"Kamala Harris ist die naheliegendste Person, um die Kandidatur zu übernehmen. Erstens, weil sie als Vize-Präsidentin dreieinhalb Jahre im Rampenlicht stand. Ihre Umfragewerte sind – insbesondere seit der Debatte zwischen Trump und Biden – leicht besser als die von Biden."
Wichtig sei, dass Kamala Harris als Bidens Vize-Präsidentin die vom Präsidenten gesammelten Wahlkampfmittel unproblematisch übernehmen kann. Ein weiteres Argument für Kamala Harris als neue Alternative zu Donald Trump ist, dass Joe Biden kurz nach seiner Ausstiegserklärung eine Empfehlung für die afro- und asiatisch-amerikanische Politikerin aussprach.
Alternativen zu Kamala Harris sind USA-weit unbekannt
Britta Waldschmidt-Nelson erklärt, dass mögliche Alternativen zu Kamala Harris wie Gavin Newsom (Gouverneur von Kalifornien) oder Gretchen Whitmer (Gouverneurin von Michigan) über ihren Staat hinaus bei weitem nicht so bekannt sind wie die 59-jährige Harris.
Weiter zeigten Umfragen unter Demokraten, dass sich mehr als ein Drittel der Demokraten wünschten – wenn Biden sich zurückzieht –, dass Kamala Harris seine Nachfolgerin werden sollte. Britta Waldschmidt-Nelson: "Die Angaben für andere Kandidaten lag jeweils immer nur im einstelligen Bereich."
Britta Waldschmidt-Nelson sagt, dass sich Herausforderer Donald Trump mit Kamala Harris als Gegnerin schwerer als mit Joe Biden tun werde. "Auch, wenn Donald Trump immerzu sagt, dass er sie 'beiseite fegen wird', und dass der Wahlkampf gegen Kamala Harris 'überhaupt kein Problem' sei", so die Expertin.
Als afro-asiatische Amerikanerin kann Donald Trump die Demokratin Harris nicht so persönlich angreifen wie Biden. Sie ist auch 20 Jahre jünger als er", sagt Wissenschaftlerin Britta Waldschmidt-Nelson.
Unterstützung für Harris von prominenten Demokraten
Dass Kamala Harris mit ihrer Kampagne bei der Wahl 2020 keinen Erfolg hatte, sieht Britta Waldschmidt-Nelson nicht als Nachteil, weil sie diesmal durch die Unterstützung prominenter Demokraten wie Biden ein ganz anderes Standing habe.
Wenn es Kamala Harris gelinge, die demokratische Partei hinter sich zu versammeln – beispielsweise beim Thema Abtreibung –, habe sie sehr gute Chancen bei der Präsidentschaftswahl im November 2024. Britta Waldschmidt-Nelson erklärt, dass die Abtreibungsdebatte aktuell eines der wichtigsten Wahlkampfthemen in den USA ist.