"Ich bin bereit, meinem Land zu dienen", hat US-Vizepräsidentin Kamala Harris gesagt. Ist das eine Ansage – mitten in der Diskussion um Joe Bidens Alter und der Frage, ob er für eine zweite Amtszeit fit genug ist? Viele Menschen haben große Hoffnungen in Kamala Harris gesteckt – doch sie blieb bisher eher blass. Ihre Beliebtheitswerte könnten auch für Biden zum Problem werden.
Über die geistige Fitness des heute 81-jährigen US-Präsidenten diskutiert gerade gefühlt die halbe Welt. Kamala Harris‘ Satz "Ich bin bereit, meinem Land zu dienen" sei allerdings keine Bewerbung als Präsidentschaftskandidatin, sagt Britta Waldschmidt-Nelson, Professorin für Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Uni Augsburg.
Harris wolle damit aber ihre Position als Vizepräsidentin stärken, vor allem das Vertrauen der Menschen, dass – sollte "irgendetwas mit Joe Biden schief gehen" – sie natürlich dazu in der Lage wäre, das Präsident*innen-Amt zu übernehmen.
Bisher eher unscheinbar
Kamala Harris hat indisch-jamaikanische Wurzeln. Sie ist die erste Frau, die erste afroamerikanische sowie die erste asiatisch-amerikanische Person, die US-Vizepräsidentin wurde. Die Erwartungen waren groß, als sie am 20. Januar 2021 ins Amt kam. Ihr Auftreten wird seitdem aber von vielen Beobachter*innen als eher unscheinbar wahrgenommen.
"Es ist sicherlich so, dass Harris die in sie gesetzten Erwartungen etwas enttäuscht hat. Dazu hatte sie aber in gewisser Weise gar keine Chance, weil Joe Biden ihr Aufgaben zugeschustert hat, (…) an denen man eigentlich nur verlieren konnte."
Das liege aber auch daran, dass viele Menschen bei Harris "die Latte sehr hoch angelegt haben – ein bisschen wie bei Barack Obama", sagt Waldschmidt-Nelson. Die in sie gesetzten Erwartungen habe sie quasi gar nicht erfüllen können, weil Joe Biden ihr besonders undankbare Aufgaben zugeteilt hat:
- die Grenzkontrollen und die Migrationsproblematik in den Griff bekommen
- das Wahlsystem reformieren
Hat Harris ein Charisma-Problem?
Harris habe sich zudem lange Zeit schwer getan mit Medieninterviews. Das werde zwar "jetzt langsam besser", doch Harris habe nicht besonders viel Charisma, so Waldschmidt-Nelson.
"Dazu kam sicherlich auch, dass sie [Harris] jemand ist, die sich ein bisschen schwergetan hat mit Medieninterviews. Sie ist nicht jemand, der so viel Charisma hat."
Kamala Harris fehle der Charme einer Person wie zum Beispiel Bill Clinton, so die Historikerin. Dass sich dieses fehlende Charisma oder die fehlende Charmeoffensive sehr negativ auswirken kann – gerade bei Kandidatinnen – habe man damals auch bei Hillary Clinton gemerkt.
Die Popularitätswerte der amtierenden US-Vizepräsidentin sind auf jeden Fall nicht besonders gut: Die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung – über 53 Prozent – schätzen sie aktuell nicht sehr, sagt Waldschmidt-Nelson. Nur 37,5 Prozent sind zufrieden mit ihrer Arbeit. Die Werte von Joe Biden sind übrigens keineswegs besser. Das sei bei einem amtierenden Präsidenten im zweiten und dritten Amtsjahr aber häufig so, ordnet die Historikerin ein.
Beeindruckende Karriere
Jeder, der sie bei der Arbeit sehe, komme zu dem Schluss, dass sie in der Lage sei, zu führen, sagte Kamala Harris jüngst durchaus selbstbewusst in einem Interview. Dem stimmt Britta Waldschmidt-Nelson zu. Ihre politische Karriere als Staatsanwältin und Oberstaatsanwältin von Kalifornien sei "schon recht beeindruckend".
"Sie [Harris] ist auf jeden Fall eine Frau, die sehr klug ist, die sehr durchsetzungsstark ist, die politische Erfahrung hat. Deshalb habe ich keine Zweifel daran, dass sie das [US-Präsidentin] tun könnte."
Kamala Harris war übrigens schon einmal US-Präsidentin – ganz kurz, für einen Tag: am 19. November 2021, als Joe Biden eine Darmspiegelung hatte.
Wahlkampf: Fokus auf Harris
Für Joe Biden und seinen Wahlkampf ist Kamala Harris sehr wichtig, sagt Britta Waldschmidt-Nelson. Das habe die Biden-Administration inzwischen auch verstanden, deshalb werde sie jetzt ein bisschen mehr ins Rampenlicht gestellt:
Beim ersten Video, in dem Biden seine Kandidatur ankündigte, sei sie etwa sehr präsent gewesen. Außerdem steige die Zahl wichtiger Reden von ihr, auch im Ausland: Im November hat Harris zum Beispiel in Großbritannien eine Rede über die neue US-Sicherheitspolitik im Bereich KI gehalten. Auch bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2024 wird sie sprechen.