Nach mehr als einem halben Jahrhundert haben die USA einen Freundschaftsvertrag mit dem Iran gekündigt. Eine Entscheidung, die seit 39 Jahren fällig sei, wie US-Außenminister Mike Pompeo mitteilte. Wir sprechen mit dem Nahost-Experten Daniel Gerlach darüber, warum der Vertrag gerade jetzt aufgekündigt wurde und ob sich dadurch etwas ändert.
Anlass für die Kündigung des US-iranischen Freundschaftsvertrags war der Beschluss des Internationalen Gerichtshofs (IGH), dass Sanktionen der USA gegen den Iran zum Teil gestoppt werden müssten - unter anderem gegen lebenswichtige Zweige der iranischen Wirtschaft und Gesundheitsversorgung, wie etwa Importe wichtiger Pharmazeutika in den Iran.
Dem Beschluss war eine Klage des Iran vor dem IGH vorausgegangen, die sich auf den Freundschaftsvertrag aus dem Jahr 1955 bezieht. Bei diesem Freundschaftsvertrag geht es um wirtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern, bei einem Streit sieht der Vertrag den Weg über das IGH vor.
Vergessen zu kündigen
Daniel Gerlach, Chefredakteur des Magazins Zenith, beschäftigt sich intensiv mit den Beziehungen zwischen dem Westen und dem Nahem Osten. Er war überrascht, dass sich die Iraner in ihrer Klage auf den Freundschaftsvertrag berufen haben, erzählt er im Deutschlandfunk-Nova-Interview.
Mit Blick auf die US-iranischen Beziehungen sei der Freundschaftsvertrag ein ungewöhnliches Dokument – nicht aber, wenn es um Internationale Beziehungen im Allgemeinen gehe. Sein Eindruck sei, dass der Vertrag über die Jahre einfach keine Priorität hatte und es vergessen wurde, ihn zu kündigen.
"Ich habe den Eindruck, dass jemand vergessen hat, den Vertrag zu kündigen."
Andere Dinge hätten im Vordergrund gestanden, obwohl es einige Anlässe zur Aufkündigung des Freundschaftsvertrags gegeben habe: beispielsweise iranisches Staatsvermögen, das in den USA eingefroren wurde. Auf beiden Seiten habe es viele Gründe gegeben, den Vertrag zu kündigen.
"Es gab viele Gründe, diesen Vertrag zu kündigen, und man kann auch ehrlich sagen, dass sich beide Seiten nicht daran gehalten haben."
Freundschaftsvertrag: eigentlich zwischen USA und Schah-Regime
Fraglich sei auch, inwiefern sich die Islamische Republik Iran heute als Nachfolgeorganisation des Kaiserreichs Iran sehe, sagt Daniel Gerlach. Denn bis zur Revolution 1979 gab es das Schah-Regime – mit einer anderen Verfassung und einer anderen Staatsform. Diese Tatsache könnte den USA auch als politisches Argument für die Kündigung dienen, sagt Daniel Gerlach.
"Ich denke, die Amerikaner werden nicht nur politisch argumentieren, sondern könnten sicherlich auch juristisch argumentieren und sagen: An diesen Vertrag fühlen wir uns aufgrund der bisherigen Feindseligkeiten nicht rechtlich gebunden."
Der Freundschaftsvertrag zwischen den USA wurde 1955 abgeschlossen, um das Verhältnis zwischen USA und Iran zu verbessern: Die USA sollen 1953 einen Putschversuch unterstützt haben. Dessen Ziel war es unter anderem, den damaligen Premierminister Mohammad Mossadegh aus seinem Amt zu entheben.
Ende des US-iranischen Freundschaftsvertrags hat keine unmittelbaren politischen Konsequenzen
Daniel Gerlach glaubt, dass das Ende des Freundschaftsvertrags zwischen den USA und dem Iran keine direkten politischen Konsequenzen haben wird, denn das Verhältnis sei vorher schon sehr schlecht gewesen. Man müsse prüfen, ob es wirtschaftliche oder konsularische Konsequenzen habe - etwa für iranische Bürger, die in den USA leben und dort ihr Vermögen haben.
"Politisch wird das unmittelbar keine Konsequenzen haben – denn das Verhältnis ist schon entsprechend schlecht."
Andere internationale völkerrechtliche Verfahrensweisen stehen für Daniel Gerlach im Vordergrund – wie das Urteil des Internationalen Gerichtshofs gegen die Sanktionen der USA. Der US-iranische Freundschaftsvertrag habe da keine Priorität.
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