Schätzungen gehen davon aus, dass jeder Fünfte in Deutschland tätowiert ist. Wer allerdings für die Polizei arbeitet, bekommt mit einem sichtbaren Tattoo Probleme. Vor allem in Bayern, wie der aktuelle Fall eines 42-jährigen Polizisten zeigt.
Tattoos, egal ob sichtbar oder unsichtbar, sind weit verbreitet und in so ziemlich allen Berufs- oder Altersgruppen zu finden. Aber: In einigen Jobs sind sichtbare Tattoos, zum Beispiel auf dem Unterarm, noch immer ein Problem. Heute hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass bayerische Polizisten weiterhin keine sichtbaren Tattoos tragen dürfen.
Geklagt hatte ein 42-jähriger Oberkommissar, der sich das hawaiianische Wort "Aloha" auf den Unterarm hat tätowieren lassen. Er wollte dieses Tattoo auch im Dienst zeigen dürfen.
Tätowierte Arme bedeuten langärmelige Kleidung - auch im Sommer
Auch Vanessa Hawlitschek ist tätowiert und arbeitet bei der Polizei in Hessen. Wenn ihre Kolleginnen und Kollegen im Sommer bei 30 Grad und mehr das Hemd mit den kurzen Ärmeln tragen, muss sie das langärmelige anziehen, weil sie auch Tattoos auf den Armen trägt: "Die anderen Tätowierungen, das sind auch ein paar, die sieht man alle aus der Uniform nicht rausgucken." Das Ganze war aber eine bewusste Entscheidung, sagt sie, denn die Tattoos hat sie sich erst stechen lassen, als sie schon Polizistin war.
Trotzdem findet die 27-Jährige es nicht in Ordnung, dass Polizisten in Hessen – und auch in den meisten anderen Bundesländern – ihre Tattoos im Dienst verstecken müssen. In Bayern dürfen die Beamten überhaupt keine Tätowierungen auf dem Unterarm haben, auch wenn man sie unter langen Ärmeln verstecken könnte. Als Mitglied der deutschen Polizeigewerkschaft setzt sich Vanessa Hawlitschek deshalb dafür ein, dass diese Verbote abgeschafft werden.
"Die Einstellung des Dienstherren ist schade, wenn er sagt: 'Oh, du siehst anders aus, ich nehme dich nicht!' Ohne sich mal anzugucken, wie derjenige ist. Vielleicht wär er ja charakterlich super geeignet - der beste Polizist überhaupt."
Das bayerische Innenministerium argumentiert, dass Polizistinnen und Polizisten – als Vertreter des Staates – dem Vertrauen gerecht werden müssten, das die Bürger in sie setzen. Was Vertrauen mit Tattoos zu tun hat, bleibt dabei allerdings unklar. Daneben ist auch in anderen Bundesländern oft von der Neutralität die Rede, der Beamte im Dienst verpflichtet sind. Bei politischen, verfassungsfeindlichen oder sexistischen Tattoos kann Vanessa Hawlitschek das nachvollziehen. Bei allem anderen eher nicht.
"Wenn der Staat Neutralität wahren will, dann bräuchte er im Grunde ja sogar eine Quote für tätowierte Personen. Denn wenn er sich davon distanziert, distanziert er sich ja auch ganz klar von seiner eigenen Bevölkerung, denn es sind nun mal unglaublich viele tätowiert."
Laut einer Studie der Uni Leipzig hat jeder Fünfte in Deutschland ein Tattoo. Es ist also längst im Mainstream angekommen. Doch warum sind Tätowierungen bei der Polizei und in anderen Berufen 2018 dann immer noch ein Problem und offenbar mit Vorurteilen behaftet? Männer mit langen Haaren oder Ohrringen sind ja heute auch kein Thema mehr.
"Ich denke, in zehn Jahren wird sich die Frage gar nicht mehr stellen, ob jemand der im Staatsdienst oder bei einer Bank arbeitet, auf den Handrücken oder am Hals tätowiert ist."
Kevin Breß arbeitet am Museum für Völkerkunde in Leipzig und hat dort eine Ausstellung zu Tattoos und Piercings kuratiert. Er glaubt, dass sich der Zeitgeist da immer mal wieder ändert: "Vor rund 100 Jahren waren sehr viele Teile der Bevölkerung in Deutschland tätowiert. Das ging los vom typischen Straßenarbeiter auch bis in die höchsten Kreise von Ärztinnen und Ärzten, aber auch Politiker waren tätowiert zu dieser Zeit."
Dann kam eine Zeit, wo Tätowierungen wieder aus der Mode kamen. Diejenigen, die sie trugen, galten als verrucht oder kriminell, waren Abweichler von der gesellschaftlichen Norm. Dieses Bild wirkt bis heute nach, sagt Kevin Breß. Wenn jetzt aber immer mehr Leute Tattoos auch sichtbar tragen, wird sich das wieder ändern, meint er.
- Wie extrovertiert ist noch seriös und machbar? | Der Style ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Expressive Haarefarbe, bärtig, mit Piercings oder auch Tattoos. Das kann jeder machen, wie er möchte. Außer, ihr arbeitet bei der Polizei, bei der Bundeswehr, der Feuerwehr, in einer Bank oder einer Schule.
- "Manche schießen mit Schrottlasern auf Menschen" | Tattoo-Entfernungen per Laser gelten als kosmetische Behandlungen – im Moment braucht man dafür keine spezielle Qualifikation. Die Bundesregierung will das gesetzlich ändern.
- Das richtige Partner-Tattoo | Große Liebe, wie schön! Aber bei Partner-Tattoos ist auch Pragmatismus gut. Deutschlandfunk Nova-Reporterin Anke van de Weyer rät zu neutralen Tattoos - und die am besten in Weiß.
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