In Ungarn sollen Kinder und Jugendliche nicht mehr über Homosexualität, Transsexualität oder Geschlechtsumwandlungen aufgeklärt werden dürfen. Dafür hat das Parlament ein gesetzliches Verbot beschlossen.
Tausende Ungarinnen und Ungarn haben am Montag noch mit Regenbogenflaggen vor dem Parlament in Budapest demonstriert. Jetzt hat das ungarische Parlament das Gesetz der nationalkonservativen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán mit 157 von insgesamt 199 Stimmen beschlossen. Die Abgeordneten der linksliberalen Parteien haben den Saal aus Protest verlassen.
Durch die neue Regelung sollen Inhalte aller Art für Unter-18-Jährige verboten werden, die Homosexualität, Transsexualität oder Geschlechtsumwandlungen positiv darstellen. Bücher, Filme, Serien, Werbung oder Infomaterial, das von einer heteronormativen Weltanschauung abweicht - all das soll danach für Kinder und Jugendliche nicht mehr zugänglich sein.
LGBTQ-Community als Feind
Nach Ansicht der ungarischen Regierung solle das neue Gesetz Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch schützen. Kritikerinnen und Kritiker verurteilen diese Gleichsetzung von Pädophilie und Homo- als auch Transsexualität stark.
Lydia Gall von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnet das Gesetz Orbáns und seiner Regierung als zynisch und geschmacklos. Es sei ein Versuch, Menschen der LGBT-Community in Ungarn unsichtbar zu machen.
Eine ähnliche Kritik kommt auch von den unabhängigen Medien in Ungarn: Sie sehen das Verbot als Angriff auf die Meinungsfreiheit an, das Zensur ermögliche.
Ziel: Opposition spalten und Wahl gewinnen
Das Gesetz spaltet auch die Opposition. Die möchte bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr gemeinsam gegen den Ministerpräsidenten antreten, nimmt in der Debatte um das geplante Gesetz aber gegensätzliche Postionen ein.
Die rechte Oppositionspartei Jobbik unterstützt den Plan Orbáns während die linksliberalen Parteien in der Opposition das Gesetz boykottieren. Die Opposition auf diese Art zu spalten, ist "ein besonders perfider Schachzug", urteilt ARD-Korrespondent Stephan Oszváth für Südosteuropa.
"Es ist ein besonders perfider Schachzug, der gestern auch vor dem Parlament von den Demonstranten massiv kritisiert wurde."
Neben der Spaltung der Opposition versuche Orbán mit dem Verbot auch Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen, die konservativ oder rechtsaußen wählen. In den vergangenen zehn Jahren seiner Amtszeit hat sich der Ministerpräsident immer Feinde als Mittel für seinen Wahlkampf ausgewählt, so der Korrespondent. In der Vergangenheit ist er ähnlich gegen Nichtregierungsorganisationen oder die EU vorgegangen, jetzt ist es die LGBTQ-Community.
"Wie so oft in den vergangenen zehn Jahren ist die Regierung Orbán permanent im Wahlkampfmodus. Vor jeder Wahl werden sozusagen neue Sündenböcke als Ziel markiert."