Gerade junge Menschen schieben den Gedanken an den Tod gerne weit von sich. Dass er jeden von uns zu jeder Zeit ereilen kann, wird gerne verdrängt. Der Medizinethiker Lukas Radbruch spricht im Vortrag über unseren Umgang mit dem Tod und darüber, wie Ärzte das Sterben erleben.
Lukas Radbruch ist Medizinethiker und Anästhesist. Er musste bereits als tot erklärten Patienten eine Narkose setzen, erzählt er im Hörsaal-Vortrag. Er hat erlebt, wie sie noch Medikamente verabreicht bekamen und ihr Kreislauf überwacht werden musste. Bis schließlich die Organe für eine Transplantation erfolgreich entnommen werden konnten. Lukas Radbruch blieb dann als letzter im Raum zurück und musste allein die Maschinen abschalten. Das sei ihm noch lange nachgegangen, sagt er.
"Die Aufgaben des Arztes bestehen darin, den Kranken zu animieren, bis die Natur ihn heilt."
Wann wird der Arzt im Sterbeprozess benötigt, wann sollte er sich lieber fernhalten? Lukas Radbruch beantwortet diese Frage im Hörsaal für die Gegenwart und verweist auch auf alte Lehren, nach denen sich der Arzt von Sterbenden fernhalten sollte.
Schwieriger Umgang mit dem Tod
Lukas Radbruch argumentiert: Sterben ist keine Krankheit. Vor Jahrhunderten sei der Umgang mit den Toten Teil des Lebens gewesen, heute würde sich ein Teil der Hospize, Heime und Krankenhäuser schwer damit tun. Der Leichenwagen dürfe bei einigen Häusern nur am Hintereingang vorfahren.
"Wir haben den Toten im Bad liegen lassen, bis es dunkel war. Decke drüber, leere Kartons drauf und dann schnell hintenrum im Lastenaufzug ab in den Keller."
"Müssen wir sterben? Medizinische und biologische Aspekte von Sterblichkeit und Unsterblichkeit" heißt der Vortrag von Lukas Radbruch, Medizinethiker, Anästhesist und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Aufgezeichnet wurde er am 2. Dezember 2016 im Rahmen der Vorlesungsreihe "Ethik des Sterbens", die die Universität Bonn in Kooperation mit der Akademie für Sozialethik und Öffentliche Kultur veranstaltet hat.
- Wir sterben, weil wir komplex sind | Nicht jedes Lebewesen stirbt, aber der Mensch. Schon seit Jahrhunderten denken Forscher darüber nach, ob nicht doch auch bei ihm eine Unsterblichkeit erreicht werden könnte. Offenbar stirbt der Mensch unter anderem deshalb, weil er zu komplex gebaut ist.
- Der Tod treibt uns an | Weil wir Angst vor dem Tod haben, wollen wir etwas schaffen, das uns überdauert. Deshalb bauen wir Pyramiden, zeugen Kinder und entwickeln Sprachen und Wissenschaft.
- Jung, alt, unsterblich | Menschen werden immer älter - heute sogar fast doppelt so alt wie vor hundert Jahren. Im Tierreich ist das Spektrum viel breiter: von der Eintagsfliege bis zu einem Tier, das tatsächlich unsterblich ist.