2.900 Ultrareiche leben in Deutschland und gleichzeitig wächst jedes fünfte Kind in Armut auf. Der Staat müsse etwas gegen diese Spaltung tun, findet die Ökonomin Martyna Linartas.
Rund 2.900 Menschen in Deutschland verfügen über ein Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar. Damit gelten sie als ultrareich. Und sie besitzen zusammen über 20 Prozent des gesamten Finanzvermögens im Land. Zu diesem Befund kommt der Global Wealth Report des Beratungsunternehmens Boston Consulting.
Angesichts der Tatsache, dass rund jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut lebe, sei dieser Reichtum grotesk, findet Martyna Linartas. Sie promoviert an der FU Berlin zu Ungleichheit und Vermögen in OECD Staaten.
"Als eines der reichsten Länder der Welt haben wir mehr als jedes fünfte Kind in Armut lebend. Das ist eine Spaltung."
Sie weist darauf hin, dass Immobilienwerte und andere Anlageformen bei dieser Vermögensermittlung der Ultrareichen noch gar nicht berücksichtigt sind.
Geerbt, nicht erwirtschaftet
Nur ein kleiner Teil privater Vermögen sei von den Vermögenden erwirtschaftet worden. Denn mehr als die Hälfte aller Privatvermögen in Deutschland werde entweder vererbt oder sei eine Schenkung.
"Wenn wir uns Deutschland angucken, müssen wir leider feststellen, dass mittlerweile mehr als die Hälfte aller Privatvermögen nicht erwirtschaftet, sondern vererbt oder verschenkt wird."
Abhilfe könnten hier Steuern schaffen, findet Martyna Linartas. Ungleichheit ist für sie ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Sie sagt: Der Staat muss im wahrsten Sinne des Wortes gegensteuern – etwa mit der Wiedereinführung einer seit den 90er-Jahren ausgesetzten Vermögenssteuer und einer konsequenteren Besteuerung von Erbschaften zum Beispiel.
Besteuerungsvorbild USA
Martyna Linartas verweist auf die Estate Tax in den USA. Deren Erhebung nicht an den Wohnort, sondern an die Staatsangehörigkeit geknüpft ist.
"Wir sind ein Hochsteuerland, wenn es um Einkommen geht, aber ein Niedrigsteuerland, wenn es um Vermögen geht."
Sie ist aber auch überzeugt, dass mit einer konsequenteren Besteuerung großer Vermögen kein Exodus der Reichen verbunden wäre. Die öffentliche Infrastruktur, das Gesundheits- und Bildungssystem und weitere Standortfaktoren ließen sich eben nicht einfach mitnehmen.