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Mehr als eine Million ukrainische Geflüchtete leben in Deutschland. Obwohl die meisten gut ausgebildet sind, bezieht der Großteil Bürgergeld – nur etwa ein Viertel hat einen Job. Die Suche nach einem Arbeitsplatz ist oft sehr schwierig. Warum ist das so?

Ksenia ist 2022, kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, aus der ukrainischen Stadt Charkiw nach Deutschland geflohen. Mittlerweile studiert sie an der Uni Bonn und hat nebenbei noch zwei Jobs. Zusätzlich dazu hilft Ksenia anderen Ukrainer*innen ehrenamtlich bei der Ankunft in Deutschland.

Ihre beiden Nebenjobs hat sie eher zufällig gefunden. Ksenia wurde nach einem Praktikum ein Job als Poledancetrainerin angeboten. Außerdem hat sie über Freunde einen Job als Barkeeperin bei Veranstaltungen und Festivals bekommen. Auch wenn Ksenia direkt Deutsch gesprochen hat, war das Arbeiten im deutschen Umfeld gar nicht so leicht, berichtet sie.

"Das war gar nicht so einfach für mich mit der Sprache beim Arbeiten. Weil es so Worte gab wie 'Kniebeuge'."
Ksenia über die Sprachschwierigkeiten beim Arbeiten in Deutschland

Fachbegriffe, die sie als Trainerin braucht, etwa das Wort "Kniebeuge", hatte sie vorher noch nicht gehört. Als sie vor zwei Jahren mit dem Job beginnt, ist der Start daher noch holprig. Inzwischen ist die Verständigung als Poledancetrainerin aber kein Problem mehr.

Integration durch den Job

Für Ksenia ist klar, dass zu einer gelungenen Integration ein Job gehört. An einen Studienplatz zu kommen, war dagegen schwerer, erklärt sie – und zwar wegen der deutschen Bürokratie. Zwei Jahre habe es gedauert, bis sie in Bonn Politikwissenschaft studieren konnte.

"Für mich ist Arbeiten ein Teil der Integration. Deswegen habe ich schnell angefangen zu arbeiten."
Ksenia über die Gründe, in Deutschland zu arbeiten

Die meisten der Ukrainer*innen aus ihrem Freundeskreis arbeiten entweder schon in Deutschland oder sind daran interessiert. Auch bei ihrer Tätigkeit im Ehrenamt hat Ksenia von vielen anderen Ukrainer*innen gehört, dass sie gerne in Deutschland arbeiten möchten. Gleichzeitig wird ihr häufig berichtet, dass es nicht so einfach ist, in den Arbeitsmarkt einzusteigen.

Etwa 25 Prozent der seit 2022 nach Deutschland geflüchteten Ukrainer*innen haben hier einen Job

Yuliya Kosyakova ist Professorin für Migrations- und Arbeitsmarktforschung an der Universität Bamberg und hat den Arbeitsmarkt beobachtet.

Mit etwa 25 Prozent Arbeitnehmer*innen sei die Quote der Ukrainer*innen, die seit 2022 nach Deutschland kommen, heute deutlich höher als bei den Geflüchteten, die zwischen 2015 und 2018 einreisten: Nach dem ersten Jahr hätten damals nur etwa sieben Prozent der Geflüchteten ein Arbeitsverhältnis gehabt.

"Soziale Kontakte, Netzwerke und privater Wohnraum – das alles begünstigt die Arbeitsmarktintegration."
Yuliya Kosyakova, Professorin für Migrations- und Arbeitsmarktforschung

Yuliya Kosyakova erklärt, dass es für alle Geflüchteten unterschiedliche Hindernisse gibt, einen Job zu finden. Viele der ukrainischen Flüchtlinge sind Frauen mit Kindern. Einen geeigneten Betreuungsplatz für die Kinder zu finden, ist eines der großen Probleme, um sich für einen Job bewerben zu können.

Sprache, Kinderbetreuung, Jobprofil

Neben der Kinderbetreuung spielt die Sprache eine wichtige Rolle, um einen Arbeitsplatz zu finden. Wer vom Jobcenter einen Job in einem anderen Beruf als dem gelernten Beruf angeboten bekommt, hat schlechtere Chancen, sich zu integrieren, weiß Yuliya Kosyakova.

Auch wenn dadurch in Dänemark, den Niederlanden oder Polen die Quote der erwerbstätigen Flüchtlinge aus der Ukraine aktuell höher ist – nachhaltig wäre das Vorgehen dieser Länder nicht, sagt Yuliya Kosyakova. Die Menschen in Berufe zu stecken, in denen sie die Sprache nicht lernen, helfe nämlich nur kurzfristig der Statistik. Das Sprachlevel Geflüchteter in Jobs, in denen Sprachkenntnisse keine Rolle spielen, verbessert sich nämlich logischerweise auch nicht so gut, erläutert Yuliya Kosyakova.

"Es wäre wichtig, dass die Personen, die sehr gut gebildet sind, mindestens in ihrem Berufsfeld einsteigen können."
Yuliya Kosyakova, Professorin für Migrations- und Arbeitsmarktforschung

Studien zeigen, dass langfristige Integration auf dem Arbeitsmarkt über die Sprache gesteuert wird, sagt die Arbeitsmarktforscherin. Doch das Lernen einer Sprache dauert eben seine Zeit. Wenn die Sprachkenntnisse dann vorhanden sind, erhöht das die Chancen auf dem Arbeitsmarkt beträchtlich: Inzwischen haben 68 Prozent der Ukrainer*innen, die zwischen 2015 und 2018 nach Deutschland flüchteten, hier auch ein Arbeitsverhältnis.

Langfristig integrieren oder kurzfristig Statistik aufhübschen?

Auf eine ähnliche Strategie wie Deutschland setzen auch die Schweiz und Dänemark: Dort arbeiten zwar aktuell anteilig noch weniger Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, als in Deutschland. Aber in ein paar Jahren könnten es dann wesentlich mehr sein als in den Ländern, die auf kurzfristige Lösungen setzen, sagt Yuliya Kosyakova.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Probleme auf dem Arbeitsmarkt
Ukrainer in Deutschland: Warum die Jobsuche oft dauert
vom 26. Juni 2024
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Ksenia, studiert und arbeitet in Deutschland
Expertin: 
Yuliya Kosyakova, Professorin für Migrations- und Arbeitsmarktforschung an der Uni-Bamberg