Torben Reelfs ist gebürtiger Ostfriese und betreibt mit seinem Kollegen Tim Nandelstädt seit 15 Jahren einen großen Hof in der Nähe von Lviv im Westen der Ukraine. Auf 1900 Hektar bauen sie Raps, Weizen, Gerste, Zuckerrüben, Soja und Mais an.
Hofmanagement per Videokonferenz
Kurz nach Beginn des Kriegs sind Tim und Torben nach Deutschland gegangen. Torben lebt gerade in Buckow in der Märkischen Schweiz in Brandenburg. Von dort aus managt er den Hof in der Ukraine mit den 50 Mitarbeitenden per Videokonferenz.
"Unsere landwirtschaftlichen Nutzflächen sind bisher von direkten Kriegshandlungen verschont geblieben."
Nach Kriegsausbruch seien sie zunächst in einer Art Schockzustand gewesen. Sie hätten das Land schnell verlassen, um sich zu orientieren und zu überlegen, was zu tun ist. Bisher seien ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen von direkten Kriegshandlungen verschont geblieben. Es werde versucht, den Ackerbau wie geplant weiterzuführen.
Team und Maschinen sind einsatzbereit
Noch seien alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Je länger sich der Krieg hinziehe, desto höher sei aber natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass einige von ihnen vom Militär eingezogen werden und kämpfen müssen. Bis jetzt habe das zum Glück verhindert werden können. Auch Dieselbenzin habe eingekauft werden können, sodass – bis jetzt – die komplette Mannschaft und alle Maschinen einsatzbereit sind.
"Je länger der Krieg dauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass unsere Mitarbeiter vom Militär eingezogen werden und kämpfen müssen."
Die Auswirkungen des Krieges sind aber zu spüren, sagt Torben Reelfs. Es sei zwar irgendwie möglich, auf den Feldern zu arbeiten. Doch es gebe Straßenblockaden, die Leute würden kontrolliert und man habe Angst vor russischen Saboteuren. Auch die Lebensmittelversorgung sei etwas unregelmäßig geworden.
"Nur" ein Fünftel Ernteausfall?
Die Getreideernte in seinem Land würde 2022 um ein Fünftel geringer ausfallen als 2021, hat der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal am Freitag (8. April 2022) gesagt. Die Aussage überrascht – ein fünftel Ertragsausfall klingt verhältnismäßig wenig. Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen – im ungünstigsten Fall kann der Ukraine auch der Ausfall der Hälfte der gesamten Ernte drohen.
Unter den aktuellen Bedingungen könne man nur Prognosen wagen, sagt auch Hofbetreiber Torben Reelfs. Ob diese dann einzuhalten sind, stehe in den Sternen. Der Ausfall von einem fünftel der Ernte beziehe sich wohl auf den Winterweizen und die Tatsache, dass hier das meiste schon im Herbst ausgesät wurde – als noch kein Krieg war. Die große Frage sei nun, wie viele Betriebe es schaffen werden, die bereits wachsenden Kulturen bis zur Ernte durchzubringen.
"Ich glaube nicht, dass ein Fünftel weniger Produktionsmenge realistisch sind. Es gibt inzwischen verminte Felder – Felder werden brennen."
Torben Reelfs geht nicht davon aus, dass die jährliche Produktionsmenge nur um ein Fünftel zurückgeht. Manche Felder seien vermint und würden in Flammen aufgehen. Im Osten und im Süden der Ukraine könnten sehr viele Betriebe ihre Kulturen überhaupt nicht mehr pflegen.
Ausfall von Odessa als Exporthafen
Dazu komme das Problem, dass der Export der landwirtschaftlichen Produkte gerade sehr erschwert ist. Die Häfen seien zu – der wichtige Hafen Odessa stehe gerade nicht zur Verfügung, um den Weltmarkt zu bedienen, sagt Torben Reelfs. Die Möglichkeiten, die Produkte mit der Eisenbahn über die westlichen Grenzen etwa nach Polen zu transportieren, seien "viel, viel, viel geringer" als das, was man über den Hafen schaffen könne.
"Wir haben noch Reste von unserer letzten Ernte, die Lagerstätten sind voll. In der Ukraine fallen die Weizenpreise sogar."
Entgegen dem Trend auf dem Weltmarkt fallen in der Ukraine gerade die Weizenpreise. Das liege ganz einfach daran, dass noch Reste der letzten Ernte vorhanden und die Lagerstätten häufig noch voll sind, erklärt Torben Reelfs. Doch der Hafen von Odessa sei blockiert und die Produzenten bekommen den Weizen nicht aus dem Land hinaus.
Wenn zu diesem Problem dann noch weitere Produktionsausfälle dazukommen, werden mittelfristig viele Länder in Afrika und dem Nahen Osten Probleme bekommen, ihren Nahrungsmittelbedarf zu decken, prognostiziert Torben Reelfs.