Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gefährdet nicht allein den Frieden in Europa. Er könnte auch die gesamte weltweite Friedensordnung ins Wanken bringen. Ein Vortrag des Politikwissenschaftlers Andreas Umland.
Nach 1945 hat sich die Welt eine neue Sicherheitsordnung gegeben: Die Vereinten Nationen (United Nations Organization, kurz Uno) hatten und haben die Aufgabe, Frieden zu sichern und Nationen in ihren Territorien sowie in ihrer Souveränität zu schützen. Dazu wurden Mittel geschaffen, wie der Atomwaffensperrvertrag. Doch all das sei nun durch den Krieg gegen die Ukraine gefährdet, so Andreas Umland.
"Dieser Krieg untergräbt die internationale Sicherheitsordnung, die UNO, den UNO-Sicherheitsrat, das Atomwaffensperrregime."
Andreas Umland ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er gilt als einer der renommiertesten Experten, wenn es um die Ukraine, Russland und die internationale Ordnung geht. In seinem Vortrag begründet Umland, warum er die weltweite Sicherheitsordnung durch den Krieg in der Ukraine für gefährdet hält.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist außergewöhnlich
Dieser Krieg, so Umland, unterscheide sich wesentlich von anderen Konflikten. Fünf Merkmale spielten dabei eine entscheidende Rolle:
- die Friedfertigkeit der Ukraine vor 2014
- die offenen Gebietsannexionen Russlands 2014 und 2022
- die Anzeichen für einen Völkermord durch Russland
- die Blockierung der UNO und des Sicherheitsrats durch Russland
- die "Verballhornung", so Andreas Umland, der Logik des Atomwaffensperrvertrages
"Die gefährlichste Besonderheit dieses Krieges ist die Verballhornung des Atomwaffensperrvertrages."
Russland ist ein offizieller Kernwaffenstaat und droht einem Staat ohne Atomwaffen mit Kernwaffen. Das, so Andreas Umland, sei eine Verkehrung der Logik des Atomwaffensperrvertrages. Er hält das für die vielleicht gefährlichste Besonderheit dieses Krieges.
"Es geht um die Abschaffung der Ukraine als Nation, als eigenständige politische und Kultur-Gemeinschaft."
In seinem Vortrag erläutert Andreas Umland alle fünf besonderen Merkmale dieses Krieges und warnt vor möglichen Konsequenzen. Es gehe in erster Linie nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um eine grundsätzliche Unterwanderung der traditionellen nationalstaatlichen Ordnung.
"Paradoxerweise ist dieser Krieg besonders gefährlich für die Staaten des globalen Südens, die nicht Mitglieder der NATO und der EU sind."
Wenn Russland mit seinen Eroberungen von Territorien und seinem Bestreben, die Souveränität der Ukraine zu beenden, Erfolg haben sollte, dann stelle das grundsätzlich die unter dem Schutz der Vereinten Nationen nach 1945 etablierte Weltordnung in Frage.
Das wiederum gefährde vor allem Staaten des globalen Südens, wenn andere Russlands Beispiel folgten. Ohne Vertrauen in das internationale Völkerrecht könnte es zu regionalem und lokalem Wettrüsten kommen, zu Eroberungskriegen und dem Aufrüsten mit Massenvernichtungswaffen.
Der Vortrag
Andreas Umland ist Analyst am Stockholm Centre für Eastern European Studies (SCEEUS) und außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Nationalen Universität Kyjiw-Mohyla-Akademie, Ukraine. Seinen Vortrag "Das Schicksal der Ukraine und die internationale Sicherheitsordnung: Transregionale Risiken und Nachwirkungen des russischen Eroberungs- und Vernichtungskrieges" hielt er am 18. November 2024 an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) im Rahmen des Jerzy Giedroyc Forschungskolloquiums.