Hunderttausende demonstrierten 2013 für den EU-Beitritt. Bekommen haben sie einen Krieg mit Separatisten und Russland. Armut und Korruption bleiben akut. Ein Gespräch über die Lage in der Ukraine.
Die Euromaidanproteste begannen am 21. November 2013. Ziel der Proteste war eine klare Westbindung der Ukraine. Als immer klarer wurde, dass die ukrainische Regierung ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen wollte, demonstrierten viele Menschen auf dem Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
Zur Hochzeit der Demonstration nahmen Hunderttausende Menschen teil. Bei der Niederschlagung kamen schätzungsweise 80 Personen ums Leben. Die Proteste führten zum Ende der Regierung von Wiktor Janukowytsch und stehen am Beginn des Ukrainekriegs – dieser hält bis heute an. Schauplatz ist das Donezbecken im Südosten des Landes, auch Donbas genannt. Die Frontlinie zwischen ukrainischen Streitkräften und separatistischen und russischen Streitkräften ist seit etwa zwei Jahren relativ stabil. Zusätzlich hält Russland die Halbinsel Krim im Schwarzen Meer besetzt.
Hoffnung auf EU-Mitgliedschaft
Wir haben mit Markus Sambale über die Situation in der Ukraine gesprochen. Er ist Korrespondent für die Ukraine und das benachbarte Russland. Eine Mehrheit der Ukrainer strebt weiterhin den Beitritt zur Europäischen Union an – wie ihre Regierung auch. 75 Prozent sind allerdings mit dem allgemeinen politischen Kurs nicht einverstanden. Dazu trägt wohl auch bei, dass sich die Lebensumstände vieler Menschen in der Ukraine seither nicht verbessert haben, vermutet Markus Sambale. Sie leiden unter Armut. Auch die Bewertung der Maidanproteste geht heute weit auseinander.
"Die eine Seite betont: Das war die Befreiung vom russischen Einfluss, der Weg Richtung Europa. Andere sind schwer enttäuscht: Die versprochenen Reformen hat es nicht so schnell gegeben."
Ziel der Separatisten und der russischen Einheiten ist die Abspaltung der Gebiete Donezk und Luhansk von der Ukraine. Hier finden seit längerer Zeit keine größeren Gefechte mehr statt, sagt Markus, aber in direkter Nähe der Frontlinie käme es beinahe täglich zu kleineren Kampfhandlungen.
Kein Frieden, kein ständiger Krieg
Die internationale Diplomatie bemüht sich um Frieden in der Region. Dafür steht der Minsker Friedensplan von 2015 – Minsk II –, der unter französischer und deutscher Beteiligung zwischen der russischen und der ukrainischen Seite ausgehandelt wurde.
"Wenn man jetzt guckt sind selbst Waffenstillstand und Waffenabzug, die ersten beiden Punkte von Minsk II, noch nicht umgesetzt."
Auch wenn die dort getroffenen Vereinbarungen nicht umgesetzt wurden, wird sie von Diplomaten als Konflikt-eindämmend bewertet. Deswegen wird der Ukrainekrieg selbst von dieser Seite inzwischen als eingefrorener Konflikt bezeichnet; die Kampfhandlungen sind also unregelmäßig, flammen nur selten wieder auf, aber die Kriegsparteien stehen sich weiterhin gegenüber.
"Eingefrorener Konflikt: Das ist ein Begriff, den man in Politik und Diplomatie benutzt, wenn man zwar nicht jeden Tag Krieg, aber eben auch keine wirkliche Friedenslösung hat."
Die Wirtschaft in der Ukraine spielt ebenfalls eine Rolle, wenn es um den Konflikt mit Russland geht. Diesen Aspekt hat sich der Journalist Peter Sawicki für uns angeschaut. Wirtschaftlich orientiert sich das Land nämlich inzwischen viel stärker an der EU als an Russland. Ein Beispiel ist die Schneckenproduktion, die in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Während 2013 noch drei Tonnen Schnecken exportiert wurden, sind es inzwischen rund 400 Tonnen. Die Nachfrage in Europa ist groß.
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