Eine Nummer auf einer Litfaßsäule. Wenn du sie anrufst, nimmt keiner ab. Dafür wählst du dich direkt in die Überwachungsmaschine der NSA.
Zunächst sieht alles ganz harmlos aus. Da steht eine Litfaßsäule mit einer Telefonnummer. Was wohl passiert, wenn ich da anrufe? Offenkundig passiert erst einmal nichts. Ziemlich enttäuschend. Niemand nimmt ab. Um die Kunst-Aktion auf der Litfaßsäule zu verstehen, müssen wir ein wenig weiter ausholen. Und den Text an der Säule lesen. Es ist nämlich so:
Der Kontakt des Kontakts
William Binney ist ein ehemaliger technischer Direktor der NSA. 2001 stieg er aus und ging mit einigen Informationen über die geheimen Programme des Geheimdienstes an die Öffentlichkeit. Der Medienkünstler Christian Sievers kaufte sich ein Handy und rief über dieses Handy bei Binney an. Seine Handynummer schrieb er auf eine Litfaßsäule. Wer sie nun anruft, wird - davon ist auszugehen - als Kontakt zweiten Grades von Binney von der NSA mit überwacht.
Es ist nur ein einfacher Anruf, aber er hat Folgen. Und die spielen sich unter anderem möglicherweise fortan in deinem Kopf ab. Wenn du auf der Überwachungsliste der NSA stehst - dann geraten auch deine direkten Kontakte ins Visier. Es beginnt, vielleicht, ein Prozess der Selbstüberwachung. Sievers Botschaft ist aber eine andere: "Wir haben keine Angst" steht auf den Plakaten. Jeder Anruf bei der Aktions-Nummer soll Protest gegen die unsichtbare Überwachungsmaschine der Geheimdienste sein.
Die Reaktionen auf Sievers Plakate, die bislang in Köln und in Karlsruhe zu sehen sind, fallen unterschiedlich aus. Ein Freund, der bislang der "Ich habe doch nichts zu verbergen"-Fraktion angehörte, scheute sich, die Nummer zu wählen. Andere bleiben vor der Säule stehen und zücken ihr Handy.
Wie viele bislang angerufen haben, weiß Sievers nicht - das Handy, das zurzeit in einer Vitrine des ZKM in Karlsruhe liegt, hört bei 99 auf zu zählen. So viele Anrufe hat es inzwischen gezählt.
Trotz der politischen Dimension seiner Aktion sieht Sievers sich als Künstler - nicht als Aktivist. In gewisser Weise stellt er den Passanten eine Falle. Andererseits, sagt er, ist die Aktion aber auch nicht mehr als ein Spiegelbild:
"Ich stelle eine Falle. Aber die Bedingungen, die sind ja schon vorher da. Und die Kunstaktion spiegelt die Realität eigentlich nur wider."
Fast poetisch findet er es, wie die Rädchen der Überwachung sich unsichtbar zu drehen beginnen: "Es klingelt einfach nur. Und man horcht so in den Äther rein. Es geht kein Mensch dran. Aber ein Computer geht dran. Diese Sachen passieren einfach nebenbei. Und darum geht's".