Seitdem die Türkei die Grenzen zur Europäischen Union geöffnet hat, drängen Tausende geflüchtete Menschen an die EU-Grenze zu Bulgarien und Griechenland. Während die EU weitere Verhandlungen mit der Türkei plant, versucht Griechenland, die Grenze mithilfe von Militär und Polizei abzuschotten.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Grenzen zur Europäischen Union (EU) am 29. Februar geöffnet. Die Folge: Tausende geflüchtete Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak harren jetzt an den Grenzen zu Bulgarien und Griechenland aus. Sie wollen die Türkei verlassen und in die Europäische Union einreisen.
Türkei: Flüchtlingspakt ist vernachlässigt
Mit der Grenzöffnung hat der türkische Staatspräsident eine Drohung umgesetzt, die er in der Vergangenheit mehrmals angekündigt hat, zuletzt im September 2019. Der Grund: Recep Tayyip Erdoğan wirft der EU vor, den im März 2016 gemeinsam beschlossenen Flüchtlingspakt zu vernachlässigen. Demnach soll die Türkei geflüchtete Menschen davon abhalten, in die EU zu kommen. Im Gegenzug erhält die Türkei Hilfszahlungen von der EU, mit denen die geflüchteten Menschen unterstützt werden sollen.
Von den vereinbarten sechs Milliarden Euro seien 5,6 Milliarden Euro schon bereitgestellt, heißt es vonseiten der EU. Der Rest solle bald folgen. Hier vermutet Dlf-Korrespondentin Nadine Lindner die Ursache des aktuellen Problems, denn die EU überweist das vereinbarte Geld an Hilfsorganisationen, statt an die Türkei. Sie möchte damit sicherstellen, dass die finanzielle Unterstützung bei den Geflüchteten ankommt, erklärt sie.
EU-Hilfsmittel und der türkische Staatshaushalt
Der türkische Staatspräsident fordert hingegen, das Geld der EU müsse direkt in den türkischen Staatshaushalt fließen. Würde die EU auf die Forderung der Türkei eingehen, könnte sie unfreiwillig auch Militäreinsätze der Türkei mitfinanzieren. So zumindest die Befürchtung der EU, sagt Nadine Lindner.
"Sowohl in Berlin als auch in Brüssel steigt die Nervosität, weil man doch halbwegs kalt erwischt worden ist."
"Sowohl in Berlin als auch in Brüssel steigt die Nervosität, weil man doch halbwegs kalt erwischt worden ist", fügt sie hinzu. Die EU fährt daher aktuell eine Doppelstrategie: Einerseits möchte sie erneut mit der türkischen Regierung über weitere Hilfszusagen verhandeln, andererseits unterstützt sie Griechenland beim Schließen der EU-Grenzen.
Denn: Auf der griechischen Seite riegeln Polizei und Militär die 200 Kilometer lange Grenze ab. "Dass man diese Grenze nicht komplett schützen kann, ist klar. Der Grenzzaun ist ein paar Kilometer lang. Also wird es natürlich auch, so nehmen ich es an, Versuche geben, an anderen Stellen durchzubrechen", berichtet Deutschlandfunk-Nova-Reporter Panajotis Gavrilis vom Grenzübergang Kastanies im Norden Griechenlands. Schaffen es geflüchtete Menschen dennoch über die Grenze in die EU, werden sie aufgefangen und inhaftiert, sagt er.
Hunderte der Geflüchteten sind seit Samstag mit Booten auf den griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios angekommen.