In Zeiten der Pandemie läuft selbst der Verlust von geliebten Menschen nicht in "geordneten" Bahnen. Wie man mit dem Tod eines Angehörigen umgehen kann, wenn man nicht einmal bei der Beerdigung dabei sein kann, erklärt Sarah Benz. Sie ist Trauerbegleiterin und Mitgründerin der "Sarggeschichten" auf Youtube.
Nine Yamamoto Basson war gerade in New York, als die Nachricht kam: Ihr Vater war gestorben. Und sie konnte nicht zurück nach Deutschland. Denn es war Anfang 2020, wegen Corona stand alles Kopf. Sie durfte nicht zurückreisen und nicht dafür sorgen, dass ihr Vater in buddhistischer Tradition beerdigt wird.
Sich nicht verabschieden zu können, so geht es 2020 vielen Menschen. Auf Beerdigungen gibt es strenge Personenbegrenzungen, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Für diejenigen, die an oder im Zusammenhang mit Covid verstorben sind, gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen, um eine Übertragung der Krankheit an Menschen zu vermeiden. Der Tod dieser Menschen ist besonders einsam. Die Angehörigen können nicht einmal den Leichnam ein letztes Mal sehen.
"Das Belastendste an der Trauer ist, wenn man ohnmächtig ist. Deshalb ist es wichtig, einen Weg zu finden, um seine Trauer auszudrücken."
Abschiednehmen als wichtiger Teil von Trauer
Dabei ist das Abschiednehmen ein wichtiger Teil bei der Verarbeitung von Trauer, weiß Sarah Benz, Trauerbegleiterin und Bestatterin aus Berlin. "Trauern ist nichts, was der Mensch alleine macht. Es ist etwas, was man mit Familie, Wahlfamilie und gemeinsamen Freunden teilt", sagt sie. Dazu gehören auch Umarmungen, körperliche Nähe - Selbstverständlichkeiten, die zur Zeit kaum möglich sind.
Trotzdem sieht Sarah, dass auch in diesen Zeiten, in denen Distanz an oberster Stelle steht, Nähe und Gemeinschaft möglich sind. Die inzwischen überall verbreiteten Videocalls werden auch bei Trauerfeiern eingesetzt. Über die Technik hinaus, sagt Sarah Benz, überlegen sich Menschen Rituale, um einander verbunden zu bleiben. Rituale, um sich während der Trauerzeit nicht allein zu fühlen.
"Wenn bei einer Bestattung nicht alle dabei sein können, gibt es die Möglichkeit, dass alle zur gleichen Zeit eine Kerze anzünden oder das gleiche Lied hören."
Die Trauerbegleiterin findet es wichtig, dass Menschen trotz Trauer und Corona das Gefühl haben, handlungsfähig zu bleiben. "Man kann auch Sachen vorbereiten, die mit zu den Verstorbenen gelegt werden sollen: Briefe, kleine Andenken, da kann man auch Kinder mit einbinden, dass sie vielleicht auch noch ein Bild malen."
Gemeinsam Abschied nehmen, trotz tausender Kilometer Entfernung
Auch Nine hat schließlich einen Weg gefunden, um ihren Vater auf für sie angemessene Weise zu verabschieden. Traditionell müsste er korrekt eingeäschert werden. Ein Mönch oder eine Nonne müssten das buddhistische Totenritual durchführen. Das war aber nicht möglich. Letztlich hat sie aber einen Zen-Priester in Kalifornien gefunden. Er hat ihr erklärt, was sie machen kann.
"Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man selbst in den extremsten Situationen Menschen findet, die einen nicht alleine lassen."
Am Ende hat Nine die Rituale selbst durchgeführt – von New York aus, per Videokonferenz. Und der Zen-Priester hat - tausende Kilometer entfernt - zur gleichen Zeit dieselben Rituale gemacht.
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