In der Werbung oder den sozialen Medien sehen wir unentwegt unrealistische Körperbilder. Dass das bei Frauen ein Problem ist, wird schon seit längerem thematisiert – oft unter dem Stichwort Body-Positivity. Nun sind auch die Männer an der Reihe.
Morgens aus der Dusche kommen, vor dem Spiegel stehen und denken: "Da geht noch was" – das kennen die meisten von uns. In der Öffentlichkeit werden toxische Körperideale und die damit einhergehenden Probleme dagegen meistens nur in Bezug auf Frauen thematisiert. Doch es gibt auch Männer, die sich mit ihrem Körper, ihrer Ernährung oder ihrer Sexualität unwohl fühlen. Immer öfter wird darüber nun auch offen gesprochen.
Selbstzweifel am eigenen Körper
Markus sieht seinen Bauch und seine Brüste als seine Problemzonen an. Vor allem beim Joggen würden ihn seine wippenden Brüste ziemlich stören. Als er einmal eine Videoaufzeichnung von seinem Halbmarathon-Lauf gesehen hat, hätte er sich am liebsten gewünscht, er hätte einen Sport-BH getragen. Im Normalzustand würde man das allerdings nicht sehen, weshalb seine Freunde seine Bedenken manchmal nicht ganz nachvollziehen könnten, sagt er.
"Meinen Bauch mag ich nicht. Andere sagen auch immer: 'Du bist bescheuert, du bist nicht dick.' Ich bin auch nicht dick. Aber mir gefällt mein Bauch nicht."
Beim Sex kann er seine eigene Körperkritik ganz gut ausblenden. Im Vorfeld fragt er sich manchmal dennoch, warum ausgerechnet dieser eine Typ, der doch viel zu gut für ihn aussehe, mit ihm schlafen möchte.
Unwohlsein beim Sex
Selbstzweifel mit dem eigenen Körper hat auch Jannis, der eigentlich anders heißt. Auch bei ihm sind der Bauch und die Brüste die Problemzonen – ausgelöst durch viel Alkohol, viel Junk-Food und wenig Sport, wie er sagt.
Beim Sex ist das für ihn durchaus ein Problem. Oft schaue er währenddessen an sich selbst herunter und checke nicht nur seinen eigenen Körper ab, sondern auch, ob das Gegenüber ihn ebenfalls kritisch beäuge.
"Es gibt halt bestimmte Stellungen, bei denen man nach vorne gebeugt ist. Und das ist eine Sache, wo man dann schnell mal an sich runter guckt, um zu checken: wie schlimm ist das eigentlich grade?"
Seinen Körper akzeptieren
Auch Marlon hat sich viele Jahre unwohl in seinem Körper gefühlt, aber nicht weil er zu viel auf die Waage bringt, sondern zu wenig. Er habe bereits alles probiert: hochkalorisches Essen, Fitnessstudio und Trainingspläne – nichts hat geholfen. Seine Hosen kauft er beispielsweise in der Frauenabteilung, da ihm sonst nichts passt. Das hat ihn viele Jahre lang belastet, aber irgendwann hat er angefangen, sich mit seinem Körper anzufreunden.
"Irgendwann kam halt der Punkt, wo ich das akzeptiert habe. Wo ich für mich wusste: Du kannst da nichts dran ändern. Das ist einfach deine Statur, das ist dein Körper."
Auch Claus Fleissner aus Frankfurt akzeptiert seinen Körper, so wie er ist. Er ist 1,84 groß, wiegt 140 Kilogramm und arbeitet als Plus-Size-Model. Seine Bilder auf Instagram zeigen eindeutig: Claus steht zu seinem Körper.
Er versteht aber auch, warum es vielen anderen Männern schwerfalle, über ihre Probleme mit ihrem eigenen Körper zu sprechen. Das sei nicht das, was die Gesellschaft von Männern erwarte, sagt er.
"Da haben es Männer immer noch schwer, weil sie tendenziell nicht über ihre Gefühle sprechen, nicht nach außen gehen und sagen: 'Hey ich bin dick, aber ich find mich schön. Ich gefall mir und bin völlig zufrieden.'"
Viele würden darüber auch nicht reden, da mehrgewichtig zu sein bei Männern häufig nicht so negativ konnotiert sei wie bei Frauen. Mehrgewichtige Männer würden häufig als "Bär" oder "Baum" bezeichnet werden – Attribute, die Stärke und Präsenz ausdrücken. Bei Frauen wird Mehrgewichtigkeit dagegen eher mit Schwäche und Weichheit verbunden, sagt Claus Fleissner.
Superhelden als toxische Körpervorbilder
Dabei wurden in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur Frauen in ihrer Kindheit durch toxische Vorbilder wie Barbiepuppen beeinflusst. Action- oder Superheldenfiguren für Jungs seien genauso problematische Vorbilder, sagt Claus Fleissner.
"Du hast He-Man-Actionfiguren, Superhelden. Das sind alles Körperbilder, die im normalen Leben einfach nicht vorkommen. Und damit spielen Jungs dann eben, statt mit einer Barbie."
Seit fünf Jahren arbeitet Claus Fleissner nun schon als Plus-Size-Model. Seitdem habe sich viel in die richtige Richtung getan. Männer würden immer häufiger zu ihren Körpern stehen. So wie Marlon eben, der bei dem allmorgendlichen Blick in den Spiegel nicht denkt "Da geht noch was", sondern: "Du bist es!"