Nur mal kurz aufs Handy schauen – zack sind zwei Stunden um. Hannah kennt das und bezeichnet sich selbst als handysüchtig. Dr. Julia Brailovskaia spricht über die Ursachen und gibt Tipps, wie wir es schaffen, weniger Zeit am Smartphone zu hängen.
Bei vielen spielt sich das Leben inzwischen oft digital ab. Sie verbringen sehr viel Zeit am Smartphone und verlieren sich auch häufig darin – beim Scrollen auf Insta, Tiktok oder anderen Plattformen. Aber was macht das mit denjenigen, die da gar nicht mehr rauskommen?
Hannah ist 20 und verbringt ihre Tage größtenteils auf Social Media. Sie würde ihre Tage gerne produktiver nutzen. Aber Hannah hat wenig Struktur im Alltag und Social Media wirkt wie ein starker Sog auf sie. Der Tag beginnt für sie mit dem Blick aufs Smartphone – und er endet auch so.
Den halben Tag nur am Smartphone
Hannah schätzt ihre Bildschirmzeit auf etwa 10 bis 15 Stunden pro Tag. Je antriebsloser sie ist, desto eher neigt sie dazu, mehr Zeit auf Social Media zu verbringen – meist, indem sie auf der Couch oder auf dem Bett liegt. Aber je mehr Zeit sie auf Social Media verbringt, desto antriebsloser wird sie auch.
"Also habe ich die ersten vier Stunden schon um vier Uhr nachts weg, wenn ich abends noch irgendwelche Youtube-Videos schaue."
Hannah arbeitet vor allem abends und steht deshalb erst sehr spät auf, gegen 13 oder 14 Uhr. Und sie verbringt auch diese erste Zeit des Tages hauptsächlich am Smartphone: "Dadurch, dass meine Leute schon vormittags wach waren, habe ich super viele Nachrichten, die ich erst mal beantworten kann. Oder wenn Leute mir Reels geschickt haben, kann ich die anschauen."
Hannah sagt, dass sie sogar beim Essen immer das Handy in der Hand hält. Was sie selbst aber ziemlich traurig findet. Den restlichen Tag verbringt sie dann auch am Smartphone. Bis es zur Arbeit geht. Und da gilt für sie glücklicherweise ein Handyverbot.
Weniger Hobbys wegen Handysucht
Durch die Handysucht vernachlässigt Hannah auch ihre Hobbys. Früher hat sie gerne Gitarre gespielt oder gemalt. Es fehlt ihr aber einfach die Motivation dafür. Wofür sich Hannah aber schon Zeit nimmt, ist, ihre Freunde zu treffen. Und dann merkt sie auch, dass sie sowas viel cooler findet, als den ganzen Tag zu Hause am Handy zu hängen.
Wenig Disziplin, Bildschirmzeit im Alltag zu reduzieren
Hannah ist Pfadfinderin und erinnert sich daran, dass sie in einem Zeltlager für anderthalb Wochen mal kein Handy dabei hatte. Und das war auch okay für sie. Das Smartphone im Alltag beiseite legen, ist für sie aber schwierig. Tricks, die Handysucht in den Griff zu bekommen, hat sie alle schon durchprobiert. Das Ladekabel wegtun oder Apps verwenden, die die Nutzungszeit kontrollieren. Geholfen hat das bis jetzt nicht.
"Da konnte ich mich selbst so einfach manipulieren. Ich konnte einfach alles in den Einstellungen ausschalten und das Ladekabel wieder zurückholen."
Hannah findet aber auch, dass sie mit ihrer Handysucht nicht alleine ist. Auch die Bildschirmzeit ihrer Freunde sei hoch und sie hat das Gefühl, in ihrer Generation seien fast alle Social-Media-süchtig. Hannah glaubt sogar, dass es besser für sie gewesen wäre, in einer Zeit aufzuwachsen, in der es noch deutlich weniger bis gar keine Handynutzung gab. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sie ihre Sucht auf irgendeinem Weg in den Griff bekommen wird.
Wie kommt es zur Handysucht?
An einem problematischen Umgang mit dem Smartphone sind Nutzerinnen und Nutzer aber nicht alleine Schuld, meint der Psychologe Christian Montag. "Mittlerweile sind die Feeds auf den sozialen Medien so aufgebaut, dass sie uns aufgrund unserer Nutzerhistorie Dinge zeigen, die uns wahrscheinlich besonders interessieren." Seiner Meinung nach versuchen die Betreibenden von Plattformen, Langeweile durch diese Personalisierung zu reduzieren. Und das ist nur ein Grund, warum es für Menschen wie Hannah nicht so einfach ist, das ständige Scrollen sein zu lassen.
Weitere Gründe für ständiges Scrollen
Dr. Julia Brailovskaia ist Psychologin und Psychotherapeutin und forscht seit über zehn Jahren zu sozialen Medien, Smartphone-Nutzung und dazu, wie das Ganze mit der mentalen Gesundheit verbunden ist. Sie erklärt, dass die Konditionierung eine wichtige Rolle dabei spielt. Heißt, dass wir beispielsweise mit jeder Nachricht, die aufploppt immer wieder kleine, positive Verstärker bekommen. Die Psychologin sagt, dass aber auch der emotionale Aspekt wichtig ist. Denn: das Smartphone und soziale Medien verbinden Leute miteinander.
"Der Mensch ist ein soziales Wesen. Was bedeutet, wir haben ein starkes Bedürfnis danach, mit anderen zu interagieren, einer Gruppe anzugehören."
Oft haben Menschen auch die Angst, etwas zu verpassen und nicht auf dem neuesten Stand zu sein, wenn sie mal eine Zeit lang nicht das Handy im Blick haben. Dafür gibt es auch einen Fachbegriff: Fear of missing out – kurz FOMO.
Mentale Gesundheit leidet unter zu viel Handynutzung
Wer sehr oft am Smartphone hängt, muss auch mit negativen Folgen für die mentale Gesundheit rechnen, erklärt die Psychologin. "Wir wissen, dass die übermäßige Smartphone-Nutzung negativ mit unserer psychischen Gesundheit zusammenhängt. Was bedeutet, sie kann dazu beitragen, dass Depressionsangst-Symptome steigen, man sich gestresst fühlt, die Lebenszufriedenheit reduziert wird." Bei Leuten, die vor allem abends viel am Handy hängen, könne es auch zu Schlafproblemen bis hin zu Schlafstörungen kommen.
Bewusst Handynutzung reduzieren
Um aus diesem Sog rauszukommen, sei es wichtig, die Zeit am Smartphone bewusst zu reduzieren. Laut der Psychologin haben Studien gezeigt, dass schon eine Stunde weniger Handynutzung am Tag für eine Woche ausreicht, um die Werte der psychischen Gesundheit deutlich zu verbessern. Hilfreich sei auch, dass mit Freunden gemeinsam anzugehen: "Dass jeder eine kleine Box mit Deckel hat und man legt sein Smartphone für eine Stunde da rein und achtet darauf, dass man da nicht dran geht."
Außerdem sei es wichtig in dieser handyfreien Stunde andere positive Dinge zu erleben: Sport machen, sich mit anderen treffen oder gute Gespräche führen.
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