Nachdem zwei Polizist*innen erschossen wurden, ist die Polizei in einer Schockstarre. Die Tat hat die Gefahrenlage gegenüber Polizist*innen auf eine neue Dimension gebracht, sagt Kriminalkommissarin Jennifer Otto.
Eine 24-jährige Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Oberkommissar sind nachts in Rheinland-Pfalz auf Streife. Beide machen ihren täglichen Job: Sie kontrollieren ein Auto, in dem zwei Männer sitzen. Die genauen Umstände der Tat sind noch unklar. Die Ermittler gehen davon aus, dass beide Tatverdächtige Schüsse abgefeuert haben.
"Wir befinden uns in einer Schockstarre"
Die beiden Verdächtigen sind inzwischen in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen gegen sie laufen. Der Tod der beiden Polizist*innen hat ihre Kolleginnen und Kollegen in eine Art Schockstarre versetzte, erzählt Jennifer Otto. Sie ist die Bundesvorsitzende der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei und selbst Kriminalkommissarin in Rheinland-Pfalz.
"In unseren Reihen sind sehr viele Tränen geflossen."
Neues Ausmaß an Gewalt
Auf mögliche bedrohende Situationen wie diese würden Polizeibeamt*innen in ihrer Ausbildung zwar vorbereitet. Als Polizistin bei einer Verkehrskontrolle durch Schüsse ums Leben zu kommen, hat die Kriminalkommissarin im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz vorher aber nicht als akute Bedrohung wahrgenommen.
Der aktuelle Fall hat die Frage für die Polizei, was eine Bedrohung darstellt und was nicht, verändert, sagt sie. Und das in ganz Deutschland.
"Mit so einem Delikt rechnet erst mal niemand in Deutschland."
Zumal die Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten in den vergangenen Jahren weiter zunimmt. Das zeigen Daten des Bundeskriminalamts. Von 2012 bis 2020 ist der Anteil der Gewalttaten gegenüber Polizeibeamt*innen um rund zwanzig Prozent angestiegen. Zudem wurden in diesem Zeitraum 42 Prozent mehr Polizeibeamt*innen Opfer von Gewalt.
Keine hundertprozentige Sicherheit
Als Polizistin gibt es keine vollkommene Sicherheit, weiß Jennifer Otto. Auf wen sie – gerade bei einer Verkehrskontrolle – treffen, ob die Person eine Waffe bei sich trägt oder wie sie reagiert, wissen die Beamtinnen und Beamten erst mal nicht.
Sie hält es aber für unwahrscheinlich, dass die Tat in Rheinland-Pfalz durch eine noch höhere Sensibilisierung der Polizist*innen für Gefahrensituationen hätte verhindert werden können. In ihrer Ausbildung lernen sie schon genaue Taktiken, gehen bei ihrem Job nach bestimmten Muster vor und sind sich einer möglichen Gefahr durchaus bewusst.
"Im Studium werden wir schon sehr sensibilisiert. Am Ende kann es die hundertprozentige Sicherheit nicht geben", erklärt sie. Umso größer sei die Fassungslosigkeit innerhalb der Polizei, wie skrupellos die Verdächtigen gehandelt hätten.